"Für uns Journalisten war Anna Politkowskaja auch in ihrer Unbeirrbarkeit schon damals eine Ikone", so Rubina Möhrig von Reporter ohne Grenzen.
"Es ist grausam genug, dass erst bei einem Mord an einer Journalistin oder an einem Journalisten die Öffentlichkeit darauf aufmerksam wird, wie gefährdet das Bürgerrecht Meinungsfreiheit und Pressefreiheit in unserer Zeit ist." Das erklärte Rubina Möhring, Präsidentin von " Reporter ohne Grenzen Österreich" am Samstagabend zur Ermordung der russischen Journalisten Anna Politkowskaja.
"Besonders bestürzend ist es jedoch, wenn es sich um eine Kollegin handelt, die man persönlich kennt. Anna Politkowskaja strahlte solch eine Kraft aus, als sie in unserem Gespräch auf der Bühne des Akademietheaters am 11. Dezember 2005 über ihre Arbeit, aber auch ihre persönliche Gefährdung sprach", so Möhring.
"Für uns Journalisten war sie auch in ihrer Unbeirrbarkeit schon damals eine Ikone. Heute wirken ihre Worte vom 11. Dezember 2005 erschreckend prophetisch: 'Ich bin natürlich nicht allein. Ich habe Informanten, ich habe Menschen, die mir bereichten, was vor Ort vorgeht. Und ich fühle mich verantwortlich für diese Menschen."
Reporter zahlen mit dem Leben
Es sei manchmal tödlich, ein Informant von ihr zu sein, erklärte Politkowskaja laut "Reporter ohne Grenzen" im Dezember 2005 bei ihrem letzten öffentlichen Auftreten im Westen. "Und ich sage das nicht einfach nur so leicht hin, ich möchte Ihnen ein Beispiel anführen: Vor drei Wochen etwa habe ich einen Artikel geschrieben über die Korruption von Pro-Moskau-Beamten in Tschetschenien, und es gab dann sofort eine Klage von der Regierung, also es wurden meine Zeitung und ich persönlich geklagt. Und heute habe ich erfahren, dass derjenige, der vor Gericht für mich auftreten und aussagen sollte, gestorben ist.."
IHF: "Wir trauern mit ihrer Familie"
Die Internationale Helsinki Föderation (IHF) rief den russischen Generalstaatsanwalt und das Innenministerium auf, die Kontrolle über die Ermittlungen zu dem Mord zu übernehmen. IHF-Geschäftsführer Aaron Rhodes erklärte: "Wir sind schockiert, wir sind verstört und wir trauern mit ihrer Familie. Sie war eine der sehr wenigen russischen Journalistinnen und Journalisten, welche die Wirklichkeiten des Tschetschenien-Krieg erforschten. Sie war zweifellos die Tapferste von ihnen."
Der Generalsekretär des Europarates, Terry Davis, würdigte Politkowskaja als "eine Journalistin mit außergewöhnlichem Mut und Entschlossenheit". Ihre Berichterstattung über Tschetschenien habe der Öffentlichkeit Russlands und der ganzen Welt eine unabhängige Sicht auf die einfachen Menschen in der Konfliktregion geboten. Die Umstände ihres Todes sollten jetzt schnell und in überzeugender Weise aufgeklärt werden, forderte Davis.
"Verteidigerin der Menschenrechte"
Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, bezeichnete Politkowskaja als "eine der wichtigsten Verteidigerinnen der Menschenrechte im heutigen Russland". Ihr Tod sei ein großer Verlust für Russland und für das Anliegen der Menschenrechte. Ihre Ermordung weise auf eine größere Krise für die freie Meinungsäußerung und die Sicherheit von Journalisten in Russland hin, erklärte Hammarberg.
Die russischen Behörden hätten schon bei der Aufklärung früherer Versuche und Drohungen, Politkowskaja zu ermorden, versagt. Jetzt hätten die Behörden keine Entschuldigung mehr, wenn sie die Umstände ihres Todes nicht gewissenhaft untersuchten und die Täter nicht bestraften.