Spekulationen

Polonium-Spuren in den Iran?

09.12.2006

Teheran könnte Adressat des radioaktiven Materials gewesen sein. Litwinenkos Tod war vielleicht ein Unfall oder ein Versuch, den Nuklearschmuggel zu vertuschen.

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In der Affäre um den vergifteten russischen Ex-Spion Alexander Litwinenko gehen die Behörden nun Hinweisen über einen möglichen Nuklearschmuggel nach. Ein deutscher Sicherheitsbeamter sagte, man nehme diese Möglichkeit "ernst". Polonium 210 wird zum Atombombenbau benötigt. Es wird insbesondere darüber gerätselt, wieso der Agent mit der sündteuren Substanz hätte vergiftet werden sollen. Sein Tod sei vielleicht ein Unfall oder ein Versuch gewesen, den Nuklearschmuggel zu vertuschen, berichten russische Medien.

Sehr teures Material
Es werde nicht ausgeschlossen, dass in Russland produziertes Polonium über Deutschland nach London geschmuggelt wurde, um dort einen Verkauf anzubahnen, sagte ein Polizeibeamter. Wirklich belastbare Indizien gebe es dafür bisher nicht. Auch sei noch kein Fall bekannt geworden, bei dem Polonium 210 auf dem Schwarzmarkt angeboten worden sei - das Material sei zu teuer. Einer Berechnung der britischen Tageszeitung "Guardian" zufolge hatte Litwinenko Polonium im Wert von 30 Millionen US-Dollar (22,7 Mio. Euro) im Körper. Ein Vertreter der russischen Atombehörde dementierte nach Angaben des britischen Senders BBC, dass Polonium aus dem Land geschmuggelt worden sei. Russland produziere monatlich acht Gramm der Substanz, die zur Gänze in die USA exportiert werde.

Das Material wird gemeinsam mit Beryllium für die Zündung von Atombomben benötigt. "Laut der "Berliner Zeitung" könnte Litwinenko vor diesem Hintergrund in Schmuggelgeschäfte mit terroristischen Organisationen verstrickt gewesen sein." Einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt" versuchte der Iran bereits in den späten 1990er Jahren, Polonium 210 herzustellen. Die russische Internet-Zeitung "russland.ru" vermutet, dass Litwinenko selbst am Nuklearschmuggel beteiligt gewesen sei, um seine Geldprobleme zu lösen. Polonium 210 lässt sich relativ unbemerkt in Plastikfläschchen transportieren. Nach der Spitalseinlieferung sollen in Litwinenkos Dickdarm drei unbekannte Objekte "fester Struktur" entdeckt worden sein, die zum Transport des Materials gedient haben könnten. Wie Drogenkuriere könnte er das Material geschluckt haben, weil der Deal aufflog oder es einen Unfall mit dem Transportbehälter gegeben habe, so die Theorie.

Neue Vermutungen
Seinen Kontaktleuten Andrej Lugowoi und Dimitrij Kowtun zufolge wurde Litwinenko bereits Mitte Oktober vergiftet. Am 16. Oktober hätten er und Litwinenko gemeinsam eine Sicherheitsfirma in London besucht, sagte Lugowoi. Dort wurden später Spuren von Polonium gefunden. Auch Kowtun geht davon aus, dass er während eines London-Aufenthaltes Mitte Oktober vergiftet worden sei. Nur so sei nämlich zu erklären, dass er Ende Oktober bei seinem Aufenthalt in Hamburg an mehreren Stellen Polonium-Spuren hinterlassen habe. Die britische Polizei geht jedoch weiter von einer Vergiftung Litwinenkos am 1. November in einem Londoner Hotel aus.

Die Ermittlungen nach den Polonium-Funden in und um Hamburg standen am Mittwoch kurz vor dem Abschluss. Ein evakuiertes Haus in Hamburg-Ottensen sollte wieder für die 30 Bewohner freigegeben werden. Im Krankenhaus St. Georg in Hamburg warteten die Ex-Frau Kowtuns, ihre beiden kleinen Kinder und ihr Lebensgefährte unterdessen weiter auf Ergebnisse spezieller Tests. Kowtun hatte in der Wohnung der Ex-Frau übernachtet. An ihrer Kleidung waren Polonium-Spuren gemessen worden.

Weitere Spur nach Berlin
Im Fall des mit Polonium vergifteten russischen Ex-Spions Alexander Litwinenko führt nach Informationen der "Berliner Morgenpost" (Donnerstag") eine Spur möglicherweise nach Berlin. Litwinenkos Kontaktmann Dmitri Kowtun habe in der Nacht zum Dienstag dieser Woche bei seiner Ex-Schwiegermutter in Hamburg angerufen, berichtete das Blatt unter Berufung auf Sicherheitskreise. Als die Hamburger Sicherheitsbehörden den Anruf rückverfolgten, seien sie auf einen Mobilfunktelefonanschluss gestoßen, dessen Standort zu diesem Zeitpunkt in einer Straße im Stadtteil Prenzlauer Berg gewesen sein soll.

Elitepolizei im Einsatz
Weil dem Berliner Spezialeinsatzkommando (SEK) laut "Morgenpost" keine Strahlenschutzkleidung zur Verfügung stand, setzten sich Hamburger Elitepolizisten in Bewegung. In weniger als 90 Minuten seien sie in der Hauptstadt gewesen. Welche Ergebnisse der Einsatz brachte, sei bisher nicht geklärt. Ein Sprecher der Hamburger Polizei sagte: "Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich Herr Kowtun in Berlin aufgehalten hat." Er wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen.

Ominöser Zeuge in Moskauer Spital
Laut "Berliner Morgenpost" ist es unklar, ob sich der Anrufer von außerhalb über eine Funkstation in das Telefonnetz eingebucht hat oder ob tatsächlich aus Prenzlauer Berg nach Hamburg telefoniert wurde. Nach Informationen des Blattes versuchten auch deutsche Sicherheitsbehörden im Vorfeld, Kowtun, der sich nach eigenen Angaben in einem Moskauer Krankenhaus aufhält, zu vernehmen. Dort hätten sie allerdings nur einen Mann zu Gesicht bekommen, dessen Antlitz durch Sonnenbrille und Krankenhausdecke schwer zu erkennen gewesen sein soll.

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