Ein Verfahren zum EU-Vertrag ist vor dem Obersten Gericht Deutschlands anhängig. Vorerst unterschreibt der Präsident das Regelwerk nicht.
Der EU-Reformvertrag liegt in Deutschland vorerst auf Eis. Bundespräsident Horst Köhler will bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Klagen gegen den Vertrag die Ratifikationsurkunde nicht unterzeichnen. "Angesichts vorliegender Anträge auf einstweilige Anordnung folgt der Bundespräsident damit einer Bitte des Bundesverfassungsgerichts", teilte das Präsidialamt am Montag in Berlin mit. Gegen den EU-Reformvertrag haben der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler und die Partei Die Linke Klagen in Karlsruhe eingereicht.
Das Bundesverfassungsgericht will das Verfahren zum sogenannten Lissabon-Vertrag beschleunigt betreiben. Noch sei nicht entschieden, ob und wann eine mündliche Verhandlung angesetzt werde, hieß es in Karlsruhe. Eine Entscheidung noch in diesem Jahr gilt als unwahrscheinlich. Bundestag und Bundesrat haben den Reformvertrag jeweils mit großer Mehrheit gebilligt.
Entscheidung wurde erwartet
Die Entscheidung Köhlers war
bereits erwartet worden. Diese sei den Karlsruher Richtern am Montag in
aller Form mitgeteilt worden, erklärte das Bundespräsidialamt. Der Aufschub
habe nichts mit der eigenen Prüfung des Zustimmungsgesetzes zum Lissaboner
Vertragswerk auf Verfassungsmäßigkeit zu tun.
Noch kein "Ratifizierungs-Stress"
Noch ist
Deutschland nicht unter Zugzwang, was die Ratifizierung anbetrifft. Der
Vertrag kann nach dem Nein der Iren in einer Volksabstimmung Mitte Juni
möglicherweise nicht wie geplant zum 1. Jänner 2009 oder zumindest vor der
Europawahl im Juni 2009 in Kraft treten. Neben einem positiven Votum der
Iren steht auch noch die Zustimmung aus Ländern wie Schweden oder Spanien
aus. In Tschechien ist der Vertrag derzeit ebenfalls zur Prüfung beim
Verfassungsgericht. Köhler hatte schon 2006 mit derselben Begründung seine
Unterschrift nicht unter den dann gescheiterten EU-Verfassungsvertrag
gesetzt. Auch damals hatten Gauweiler und andere dagegen geklagt.
Der Lissabon-Vertrag löst den Entwurf einer Europäischen Verfassung ab, der im Sommer 2005 in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert war. Mit dem Grundvertrag soll die EU einen Ratspräsidenten erhalten, der für zweieinhalb Jahre gewählt wird. Außerdem soll es einen gemeinsamen Verantwortlichen für die EU-Außenpolitik, häufigere Mehrheitsentscheidungen und die Möglichkeit eines Volksbegehrens geben.
Auch Polens Präsident sagt "Nein"
Der polnische
Präsident Lech Kaczynski will den EU-Reformvertrag nicht unterzeichnen. Nach
der gescheiterten Volksabstimmung in Irland sei der Vertrag
"gegenstandslos", sagte Kaczynski in einem am Dienstag veröffentlichten
Interview mit der Zeitung "Dziennik". Das polnische Parlament hat den
Vertrag bereits ratifiziert, doch muss Kaczynski diesen Schritt noch durch
seine Unterschrift beurkunden, damit er Rechtskraft erlangt.
Es sei schwer zu sagen, wie es mit dem Vertrag von Lissabon nun weitergehe, sagte der polnische Präsident in dem Interview weiter. Die Behauptung, die EU könne ohne den Reformvertrag nicht weiterexistieren, sei aber "nicht seriös". Kaczynski wies auch das Argument zurück, seine Unterschrift unter den Vertrag wäre ein "Signal" für die Fortführung des Ratifizierungsprozesses auch in Irland. "In Europa wird Politik nicht durch das Aussenden von Signalen gemacht", betonte der Präsident.
Polens rechtsliberaler Regierungschef Donald Tusk und der konservative Kaczynski hatten sich Ende März nach einem wochenlangen politischen Tauziehen auf eine Ratifizierung des EU-Vertrags durch das Parlament geeinigt. Das polnische Unterhaus und der Senat stimmten Anfang April für ein Gesetz, das Kaczynski die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon erlaubt.