In der EU wächst die Sorge vor der Instabilität in Tschechien. Italiens Außenminister Frattini warnt vor einem "Desaster für Europa". Schwarzenber hofft auf eine Ratifizierung des EU-Vertrags im April.
Nach dem Sturz der tschechischen Regierung, die derzeit den Vorsitz in der Europäischen Union innehat, wächst die Sorge vor Instabilität in der EU. Italiens Außenminister Franco Frattini warnte am Freitag beim Treffen mit seinen EU-Kollegen im südböhmischen Frauenberg (Hluboka) vor einem "Desaster für Europa". Sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn sagte, die aktuelle Regierungskrise in Prag könnte einen "negativen Einfluss" auf die EU haben.
Appell an Klaus
"Wir müssen den Tschechen helfen, andernfalls
wird das ein Desaster für Europa", sagte Frattini vor dem Treffen der
EU-Außenminister auf Schloss Frauenberg an der Moldau. Asselborn appellierte
an das Verantwortungsbewusstsein des tschechischen Staatspräsidenten Vaclav
Klaus, der sich selbst als "EU-Dissident" bezeichnet, als Gegner des
Lissabon-Reformvertrages gilt und nach dem Rücktritt der Regierung von
Ministerpräsident Mirek Topolanek den Auftrag zur Bildung eines neuen
Kabinetts geben muss.
Schwarzenberg gibt sich locker
Der noch amtierende
EU-Ratsvorsitzende und tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg
wischte dagegen Befürchtungen, die Regierungskrise könnte seine
EU-Ratspräsidentschaft belasten, demonstrativ vom Tisch. Zur Zukunft des
Lissabon-Reformvertrages der EU in Tschechien befragt, meinte Schwarzenberg:
"Ich hoffe, im April werden wir ratifizieren." Eine Mehrheit im
tschechischen Senat gilt nach dem Sturz der Regierung Topolaneks als
ungewiss.
Spindelegger optimistisch
Außenminister Michael Spindelegger (V)
betonte, er sehe "da noch keine große Belastung" für die tschechische
EU-Ratspräsidentschaft. Vizepremier Alexandr Vondra habe versichert, der
Vorsitz werde seine Arbeit fortsetzen"Es gab ja schon zweimal eine solche
Situation, die ja auch gut bewältigt wurde. Daher gehe ich davon aus, dass
auf europäischer Ebene davon nichts spürbar sein wird", so Spindelegger in
Anspielung auf ähnliche Situation in Italien und Dänemark. In Hinblick auf
den Lissabon-Vertrag sei zunächst die Entscheidung der irischen Bevölkerung
abzuwarten, die in einem zweiten Referendum über das Reformwerk abstimmen
sollte. "Ich bin überzeugt: Wenn dort ein Ja erfolgt, wird auch in
Tschechien sicher kein Nein erfolgen."
Auch EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner bemühte sich um Beschwichtigung angesichts der Tatsache, dass Klaus den tschechischen EU-Vorsitz beim nächsten Russland-EU-Gipfel Ende Mai vertreten soll. "Alles wird bestimmt von unseren Verfassungen, wir sind demokratische Länder", sagte die Kommissarin.
Tschechien sucht neue Regierung
In Prag sondierte Klaus
unterdessen die Möglichkeiten zur Regierungsbildung. Die oppositionellen
Sozialdemokraten (CSSD), die Christdemokraten (KDU-CSL) sowie Topolaneks
Konservativen (ODS) sprachen sich für vorgezogene Wahlen aus. Klaus hatte am
Vortag eine rasche und stabile Lösung gefordert. Er werde jenen Politiker
mit der Regierungsbildung beauftragen, der ihm 101
Abgeordneten-Unterschriften vorlegt. Parteienvertreter sehen dies als nicht
so einfach. "Da müssten zwei Kamele durch ein Nadelöhr gehen", sagte
Grünen-Chef Martin Bursik..