Mit der von US-Präsident George W. Bush angekündigten Verstärkung der Truppen im Irak setzt sich die internationale Presse auseinander.
"The Washington Post":
"Wenn die Vereinigten
Staaten den Irak nicht seinen Feinden überlassen wollen, muss ihr Einsatz
nachhaltig sein, und zwar sowohl in militärischer als auch in politischer
Hinsicht. Über die Jahre müssen die Iraker das Land selbst stabilisieren.
Bush setzt darauf, dass eine Verstärkung von US-Soldaten und Hilfsmitteln
diesen Prozess beschleunigen kann. Wenn er falsch liegt, wird die weitere
Anwesenheit der Amerikaner im Irak unhaltbar. Der Präsident muss mehr tun,
um das Land davon zu überzeugen, dass das Opfer notwendig ist, das er von
amerikanischen Soldaten verlangt."
"The New York Times":
"Bush sagte den
Amerikanern, dass ein Versagen im Irak eine Katastrophe wäre. Die
Katastrophe ist Bushs Krieg, und er hat bereits versagt. Vergangene Nacht
war seine Chance: die Situation nicht weiter zu verschleiern und stattdessen
ehrlich zu sein. Und die hat er nicht ergriffen. Die Amerikaner wollten von
Bush klar hören, wie er die US-Soldaten aus dieser Katastrophe
herausbekommen will, die er selbst angerichtet hat. Was sie aber zu hören
bekamen, war noch mehr substanzloses Gerede über den Sieg gegen den
Terrorismus und die Schaffung einer 'jungen Demokratie' im Irak. Mit anderen
Worten, ein Weg für diesen Präsidenten, seine Zeit abzusitzen und das
Schlamassel dann dem Nächsten zu überlassen."
"The Daily Telegraph" (London):
"In den
Siebzigern wurde Richard Nixon dazu gebracht, einen Rückzug aus Vietnam
auszuhandeln, weil die heimische Unterstützung für den Krieg
zusammengebrochen war. Dasselbe ist mit dem Irak geschehen, wie im November
die Niederlage der Republikaner in beiden Häusern des Kongresses zeigte.
Bush reagiert jedoch, indem er sich der öffentlichen Meinung mit einem
letzten Versuch widersetzt, die schockierende Gewalt zu beenden und den
Irakern so zu ermöglichen, ihre Wirtschaft aufzubauen, wozu die Amerikaner
auch noch eine Milliarde Dollar an Aufbauhilfe versprechen. Angesichts der
relativ kleinen Zahl von zusätzlichen Soldaten und der Schwäche der
Regierung von Nuri al-Maliki ist zu bezweifeln, dass dies möglich ist. Aber
man kann dem Präsidenten politischen Mut nicht absprechen."
"The Guardian" (London):
"Mit der Entscheidung,
die Truppen zu verstärken, ignorierte Bush die Botschaft der Kongresswahlen,
die Irak-Studiengruppe, den Kongress, seine eigenen Generäle und die
überwiegende Meinung in der ganzen Welt. US-Generäle haben schon genug
Schwierigkeiten, das gegenwärtige Niveau an kampfbereiten Truppen zu halten
und sind zudem nicht überzeugt, dass mehr Soldaten einen Unterschied
bewirken können. Statt auf sie zu hören, folgt Bush den Rechten, die
argumentieren, dass Ehre und Amerikas nationale Interessen die Fortsetzung
des Kampfes verlangen. Man hat den Eindruck, dass von beidem die 'Ehre' das
bedeutendere für ihn ist."
"Le Figaro" (Paris):
"Die symbolträchtige Schlacht
um Bagdad ist entscheidend für den Irak, aber auch darüber hinaus für die
ganze Region, wo große Besorgnis darüber herrscht, dass eine arabische
Hauptstadt zur Geisel der Konfrontation von Schiiten und Sunniten wird.
George W. Bush hat seit sechs Monaten keine Strategie für den Irak mehr. Er
zieht angesichts der Zweifel der US-Öffentlichkeit und des Kongresses in
diese Schlacht. Es ist seine letzte Chance, seine Präsidentschaft zu retten."
"Libération" (Paris):
"Pokerspieler, die
verlieren, kennen dieses quälende Dilemma: Soll man den Tisch verlassen oder
noch drauflegen, auch wenn man dann alles verlieren könnte? George W. Bush
scheint sich in dieser Lage entschlossen zu haben, seine Truppen im Irak um
20.000 Mann zu erhöhen. Die Militärexperten haben ihm erklärt, dass das viel
zu wenig ist, um etwas an der Zukunft des Irak und damit der Amerikaner im
Irak zu ändern. Doch Bush hat ein für alle Mal entschieden, dass dieser
Krieg zu ernst ist, um ihn den Militärs zu überlassen."
"La Repubblica" (Rom):
"Trotz seiner Niederlage
bei den Wahlen im November und dem Kurswechsel in der öffentlichen Meinung
geht Bush weiter die Straße des Unilateralismus. Er hat die Meinung seiner
treuesten Generäle (...) nicht beachtet und sich so zum ersten Mal gegen das
Pentagon gestellt. Er hat die Ratschläge der von James Baker geführten
Kommission nicht angenommen, die von einer diplomatischen Verwicklung
Syriens und des Iran sprach. Und er hat sich auch nicht von den Drohungen
der Demokraten stören lassen. Und so ähnelt der 'neue Kurs' des Weißen
Hauses (...) an die alte Suppe im Irak, die das Land - trotz 3.000 toten
Amerikanern in vier Jahren und 357 Milliarden ausgegebener Dollar - nur in
eine Hölle verwandelt hat."