Libanon

Regierung vor dem Zerfall

14.11.2006

Nach der Demission aller schiitischen und eines christlichen Ministers steht die libanesische Regierung knapp vor dem Aus.

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© (C) Reuters
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Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah erklärte laut Beiruter Medienberichten vom Dienstag, das Kabinett von Premier Fouad Siniora habe jede Glaubwürdigkeit verloren und sollte bald durch ein "sauberes" ersetzt werden. Zugleich schwächte der radikale Schiitenführer seine Drohung ab, zu Massenprotesten aufzurufen, um den Sturz der Regierung herbeizuführen. Die Hisbollah fühle sich der Wahrung der Stabilität des Landes verpflichtet, betonte Nasrallah.

Nasrallah fordert Regierung des Aufbaus
Es werde eine neue Regierung geben, die den Libanon wieder aufbauen werde, sagte Nasrallah nach einem Bericht der Tageszeitung "As-Safir" vor Anhängern. Informationsminister Ghazi Aridi erklärte laut "L'Orient-Le Jour" , sobald der schiitische Parlamentspräsident Nabih Berri von seinem gegenwärtigen Iran-Besuch heimgekehrt sei, werde der unterbrochene Allparteiendialog wieder aufgenommen.

Die Hisbollah und die ebenfalls schiitische Amal-Bewegung von Berri beanspruchen zusammen mit ihrem christlich-maronitischen Verbündeten Ex-General Michel Aoun, dem Chef der oppositionellen "Freien Patriotischen Bewegung", ein Drittel der 24 Kabinettsposten und damit eine Sperrminorität. Aoun wandte sich am Dienstag gegen eine " Medienkampagne" mit dem Ziel, die innenpolitischen Probleme auf eine iranische und syrische Einflussnahme statt auf die Versäumnisse der Regierung zurückzuführen.

Staatspräsident Emile Lahoud hat das Restkabinett für " illegitim" und nicht mehr verfassungskonform erklärt. Die Verfassung des Landes schreibt die Vertretung aller großen Konfessionen - von denen die Schiiten die zahlenmäßig stärkste sind - in der Regierung vor. Nach den Rücktritten fünf schiitischer und eines christlichen Ministers am vergangenen Wochenende sei die nicht mehr der Fall.

Syrien soll Hariri-Tribunal respektieren
Die USA haben Syrien aufgefordert, die Einsetzung des internationalen Tribunals zu respektieren, das die Verantwortlichen für die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri zur Rechenschaft ziehen soll. Washington werde sich im UNO-Sicherheitsrat rasch für die Bildung des Sondergerichts einsetzen, erklärte der amerikanische Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, am Montagabend in New York, nachdem die libanesische Regierung in Abwesenheit der sechs zurückgetretenen pro-syrischen Minister ihre Zustimmung gegeben hatte.

"Wir appellieren an alle Länder, aber insbesondere an Syrien, die Entscheidung der libanesischen Regierung zu respektieren", erklärte Bolton. Die vom UNO-Sicherheitsrat eingesetzte Untersuchungskommission unter Leitung des belgischen Sonderermittlers Serge Brammertz und seines deutschen Vorgängers Detlev Mehlis verdächtigt syrische Geheimdienste und deren libanesische Handlanger, Drahtzieher des Attentats gewesen zu sein. Vier ranghohe libanesische Generäle wurden festgenommen. Die Verdächtigen sollen vor ein mit libanesischen und ausländischen Richtern besetztes Gericht gestellt werden. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat angedeutet, das Tribunal sollte aus Sicherheitsgründen außerhalb des Libanon, möglicherweise in Zypern, tagen.

Syrien war Ordnungsmacht im Libanon
Rafik Hariri war am 14. Februar 2005 bei der Explosion einer Autobombe in Beirut ums Leben gekommen; 22 weitere Menschen verloren dabei das Leben. Die durch das Attentat erzeugte politische Dynamik und internationaler Druck führten im April 2005 zum Abzug der syrischen Truppen aus dem kleinen Nachbarland nach 29 Jahren. Der Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges (1975-90) hatte Syrien Gelegenheit geboten, 1976 als Ordnungsmacht mit einem Mandat der Arabischen Liga im Libanon zu intervenieren.

Die Hisbollah hat der Regierung Siniora Formfehler bei der Beschlussfassung über das Tribunal vorgeworfen. "Wir sind aber nicht gegen das Tribunal, das von allen Libanesen gefordert wird", sagte der Hisbollah-Parlamentsabgeordnete Hussein Hajj Hassan in Beirut. Er beschuldigte die anti-syrische Mehrheitskoalition, ein " Entscheidungsmonopol" zu beanspruchen.

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