Althaus: Mein Rücktritt war für Koalition notwendig.
Acht Wochen nach der Landtagswahl im ostdeutschen Bundesland Thüringen haben CDU und SPD den Weg für eine gemeinsame Koalition frei gemacht. Auf getrennten Parteitagen stimmten die Delegierten beider Parteien am Sonntag in Erfurt für den Koalitionsvertrag. Die SPD habe zahlreiche zentrale Ziele durchsetzen können, sagte SPD-Landeschef Christoph Matschie, der den Vertrag erneut gegen parteiinterne Kritik verteidigte.
Die Delegierten des CDU-Parteitages votierten einstimmig für den Koalitionsvertrag. Nicht ganz so deutlich fiel das Ergebnis bei der SPD aus. Hier stimmten auf dem außerordentlichen SPD-Landesparteitag 148 Delegierte nach teils kontroverser Debatte für den Vertrag. 44 stimmten dagegen und sieben enthielten sich. "Mit diesem Koalitionsvertrag ist die Grundlage gelegt für einen neuen Aufbruch in der Thüringer Politik", sagte Matschie. Die CDU sei der SPD in vielen für sie wichtigen Positionen entgegengekommen, etwa bei der Schaffung von zusätzlichen Erzieherstellen in den Kindergärten und dem Modell für ein längeres gemeinsames Lernen.
Ignorante Parteispitze
Die Entscheidung des SPD-Landesspitze,
Koalitionsverhandlungen mit der CDU statt mit Linken und Grünen aufzunehmen,
war in Teilen der Partei auf heftigen Widerstand gestoßen. Matschie sagte,
er wisse, dass viele enttäuscht und verärgert waren. Aber mit Linken und
Grünen habe es nicht das nötige Vertrauen für ein gemeinsames Bündnis
gegeben. Zugleich rief er seine Partei zur Geschlossenheit auf und forderte
einen "fairen" Umgang miteinander. "Wer soll eigentlich einer Partei
vertrauen, die sich so fetzt, wie wir das in den vergangenen Wochen getan
haben", sagte der SPD-Chef. Er räumte aber auch Kommunikationsfehler der
Parteiführung ein.
Zahlreiche Parteipolitiker hatten vor der Abstimmung ihre Kritik an einem schwarz-roten Bündnis bekräftigt und der Parteispitze Ignoranz gegenüber der Basis vorgeworfen, in der viele ein rot-rot-grünes Bündnis befürwortet hatten. Der ehemalige SPD-Landeschef Richard Dewes sagte, die Entscheidung für Schwarz-Rot sei "nicht von Mut geprägt, sondern von Furcht".
Lieberknecht neue Ministerpräsidentin
Er unterstellte
Matschie, dieser habe eine rot-rot-grüne Regierung nie wirklich gewollt. Die
SPD habe eine "einmalige Chance verpasst", gemeinsam mit Linkspartei und
Grünen einen Politikwechsel in Thüringen herbeizuführen, kritisierte auch
Marion Philipp, Landrätin im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Gemeinsam mit
anderen hatte sie ein Mitgliederbegehren angestoßen, für die nach ihrer
Aussage fast 1000 Unterschriften für Rot-Rot-Grün gesammelt wurden. Nach dem
Beschluss des Parteitages kommt es allerdings nicht mehr zustande.
Am Freitag soll die bisherige CDU-Sozialministerin Christine Lieberknecht im Landtag zur neuen Ministerpräsidentin gewählt werden. Der bisherige Regierungschef Dieter Althaus (CDU) hatte nach der Wahl seinen Rücktritt erklärt. Lieberknecht wäre nach Heide Simonis erst die zweite Frau an der Spitze eines Bundeslandes. Die CDU hatte bei der Landtagswahl Ende August ihre absolute Mehrheit verloren und war zum Weiterregieren auf die SPD angewiesen.
Althaus: "War Haupthindernis"
Althaus nahm am Sonntag
erstmals öffentlich zu seinem abrupten Rücktritt nach der Landtagswahl
Stellung. Er habe sich dazu entschieden, um eine Koalition mit der SPD zu
ermöglichen, sagte Althaus am Sonntag in Erfurt auf dem CDU-Parteitag zum
Koalitionsvertrag. "Ich war das Haupthindernis, um einen Weg zu einer
Großen Koalition zu gehen." Nach der Solidarität, die ihm seine
Partei nach dem schweren Skiunfall in der Steiermark zu Jahresbeginn
erwiesen habe, habe er sich in der Pflicht gesehen, so zu handeln. Althaus
hatte Anfang September nur eine Mitteilung verschickt, dass er als
Regierungs- und Parteichef zurücktritt. Selbst Regierungsmitglieder und
CDU-Vorstand wurden davon überrascht.
Der 51-Jährige bat jene in seiner Partei um Verständnis und Verzeihung, die er mit seinem wortlosen Abgang enttäuscht und irritiert habe. Sie hätten zurecht erwartet, dass er mit ihnen darüber spreche. Althaus dankte der Verhandlungsgruppe mit seiner designierten Nachfolgerin Lieberknecht und warb um Zustimmung für den Regierungsvertrag mit der SPD. Er kündigte an, dass er sich nach diesem für ihn "existenziellem Jahr" weiterhin für Thüringen einsetzen werde.