Trotz der Vermittlungsbemühungen der Europäischen Union hat sich der Krieg im südlichen Kaukasus am vierten Tag in Folge weiter zugespitzt.
Im Konflikt um Südossetien nimmt Russland Georgien nun von zwei Seiten in die Zange. Die Regierung in Russland bestätigte georgische Angaben, wonach russische Truppen von Abchasien aus nach Georgien eingedrungen sind. In Südossetien wurde unvermindert gekämpft. Kämpfe zwischen georgischen und russischen Truppen wurden auch aus der Stadt Gori - der Geburtsstadt des Georgiers und sowjetischen Diktators Josef Stalin - gemeldet. Von dort waren kurz zuvor Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner und der georgische Präsident Michail Saakaschwili ausgeflogen worden, die dort Opfer besuchen wollten.
Russische im georgischen Schwarzmeer-Hafen Poti
Russische
Truppen seien am Montagabend im georgischen Schwarzmeer-Hafen Poti gelandet.
Dies teilte der georgische Ministerpräsident Lado Gurgenidze im georgischen
Fernsehen mit. Er fügte hinzu: "Es gab keine Verluste." Wörtlich sagte der
Premier in seiner Ansprache: "Nach unseren Informationen sind russische
Truppen in Poti gelandet, russische Truppen halten sich auch in Senaki und
Sugdidi auf."
Keine Einnahme von Tiflis geplant
Russland will nach eigenen
Angaben mit seinem Krieg im Südkaukasus nicht die georgische Hauptstadt
Tiflis einnehmen. "Pläne, nach Tiflis vorzudringen, hatten wir nie und haben
wir nicht", sagte am Montag ein Vertreter des Moskauer
Verteidigungsministeriums nach Angaben der russischen Agentur Interfax.
Russen starteten Operation von Abchasien aus
Russische Truppen
nahmen nach georgischen Angaben die 40 Kilometer von Abchasien entfernte
Stadt Senaki ein. Dutzende gepanzerte Fahrzeuge seien in dem Ort, erklärte
das Innenministerium in Tiflis. Das russische Verteidigungsministerium
bestätigte den Vorstoß. Damit solle verhindert werden, dass sich georgische
Einheiten zu neuen Angriffen auf Südossetien formierten. Nach Angaben des
georgischen Innenministeriums bombardierten zudem russische Kampfflugzeuge
Ziele am Rande der Hauptstadt Tiflis sowie den Schwarzmeer-Hafen Poti.
Russland wirft Georgien vor, seine Zusage einer Feuerpause vom Sonntag gebrochen und die südossetische Hauptstadt Zchinwali erneut beschossen zu haben.
Georgien unterzeichnet EU-Friedensplan
Während sich auch der Ton
zwischen den USA und Russland verschärfte, unterzeichnete Georgiens
prowestlicher Staatschef Saakaschwili einen mehrstufigen Friedensplan der
EU. Die EU-Vermittler wollten anschließend nach Moskau reisen, um Russland
ebenfalls zur Annahme der Vereinbarung zu bewegen. Der französische
Präsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende Nicolas Sarkozy will am Dienstag
in Tiflis und Moskau vermitteln. Auch die sieben wichtigsten
Industriestaaten (G-7) setzen sich für eine sofortige Waffenruhe ein.
Saakaschwili sagte, er habe die Vereinbarung über einen Waffenstillstand im Beisein Kouchners und dessen finnischen Amtskollegen und OSZE-Vorsitzenden Alexander Stubb in Tiflis unterschrieben. Kouchner hatte zuvor mitgeteilt, der Plan sehe einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand sowie Hilfen für die Opfer der Kämpfe vor. Dies hatte Russland als Voraussetzung für eine Einstellung der Kämpfe gefordert. Saakaschwili warf Russland eine seit langem geplante Invasion vor sowie die Behinderung internationaler Hilfslieferungen nach Tiflis. Was nun geschehe, sei "der schlimmste Alptraum" für sein Land, sagte Saakaschwili in Tiflis. Zehntausende Georgier seien inzwischen auf der Flucht. Auch etwa 30.000 Südosseten sollen ihre Heimat verlassen haben.
Russland gibt Georgien Schuld an Eskalation
Der russische
Präsident Dmitri Medwedew sprach sich unterdessen für eine OSZE-Mission im
Krisengebiet aus und wies Georgien die Schuld an der "humanitären
Katastrophe" aus. Russlands NATO-Botschafter Dmitri Rogosin beantragte in
Brüssel ein NATO-Russland-Treffen auf Botschafterebene am (morgigen)
Dienstag. Die NATO müsse Russland anhören, bevor Entscheidungen getroffen
würden. Die Botschafter der NATO-Staaten sollten Dienstag in Brüssel mit der
georgischen Außenministerin Ekaterina Tkeschelaschwili zusammentreffen.
Verstimmung zwischen USA und Russland
Der Ton zwischen Russland
und den USA verschärfte sich am Montag weiter. Der russische Premier
Wladimir Putin sagte, der US-Transport georgischer Truppen aus dem Irak
könnte sich als Hindernis erweisen, den Konflikt um Südossetien und
Abchasien beizulegen. Georgien hat im Rahmen seiner Großoffensive in
Südossetien beschlossen, sein im Irak stationiertes Truppenkontingent aus
2.000 Mann abzuziehen. Putin wertete es als Einmischung der USA in den
Kaukasus-Konflikt, dass diese Soldaten in amerikanischen Militärmaschinen
ausgeflogen wurden.
US-Präsident George W. Bush bezeichnete die Gewalt in Georgien als inakzeptabel und kritisierte das militärische Vorgehen Russlands als unverhältnismäßig. In einem Interview mit dem Sender NBC äußerte Bush sich sehr besorgt und sagte, die USA verurteilten die Bombenangriffe außerhalb Südossetiens schärfstens. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte indes, sie wolle trotz des Kriegs an ihrem geplanten Treffen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew am Freitag in Sotschi festhalten.
Welt fordert Ende des Blutvergießens im Kaukasus
Überall in der
Welt sind am Montag Forderungen nach der sofortigen Beendigung des
Blutvergießens im Kaukasus erhoben worden. Zugleich wurde das Vorgehen der
russischen Streitkräfte in Georgien vielfach als überzogen kritisiert. Die
deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangte, wie zahlreiche andere
Regierungschefs, von beiden Konfliktgegnern die bedingungslose Einstellung
ihrer Kriegshandlungen. Die britische Regierung kritisierte, dass russische
Truppen über die Konfliktherde Südossetien und Abchasien hinaus nun auch
georgisches Kernland angreifen.
Die Europäische Union forderte Russland auf, "jegliche militärische Aktivität auf georgischem Territorium zu beenden". Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte in Brüssel: "Die jüngsten Entwicklungen, beispielsweise das Überschreiten der georgischen Grenzen durch russische Truppen, haben die Dimension des Konflikts verändert."
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer ließ mitteilen, er sei "weiterhin äußerst besorgt über den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und den Mangel an Respekt für die territoriale Integrität Georgiens". Auf Antrag Georgiens tritt der NATO-Rat an diesem Dienstag in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammen.
Foto (c) Reuters
Kämpfe mit mehr als 2.000 Toten
Die Kämpfe in Georgien haben
bisher 2.000 Menschenleben gefordert. Geflohen sind über 30.000 Menschen.
Russland hat Luftangriffe auf eine Militärbasis nahe Tiflis und zwei weitere
Stützpunkte geflogen. Außerdem sind die Schwarzmeer-Hafenstadt Poti und eine
Einrichtung des Verteidigungsministeriums angegriffen worden. Anlagen für
den Transport von Rohöl in den Westen sind auch beschossen worden.
Davor waren georgische Truppen in ihrer abtrünnigen Provinz Südossetien einmarschiert.
Als Reaktion auf den Konflikt in Südossetien hat die ebenfalls abtrünnige autonome Republik Abchasien eine Luft- und Bodenoffensive gegen die georgischen Streitkräfte gestartet.
Video: Georgische Truppen greifen Südossetien an
In Südossetien liefern sich Russland nahestehende Separatisten und georgische Truppen seit einer Woche erneut Gefechte. Am Freitag marschierten georgische Truppen in die südossetische Hauptstadt Zchinwali ein. Südossetien, das rund 70.000 Einwohner hat und dessen Fläche in etwa dem Burgenland entspricht, hat sich 1992 von Georgien abgespalten und ist seither de facto unabhängig. Völkerrechtlich gilt die Region jedoch als Teil Georgiens. Zweimal - 1992 und 2006 - stimmten die südossetischen Einwohner für die Unabhängigkeit von Georgien. International wurden die Referenden aber nicht anerkannt. Das Gebiet ist wirtschaftlich und politisch eng mit Russland verbunden. |