Nur Europas Rechtpopulisten sind mit dem Schweizer Verbot zufrieden.
Das Bauverbot für Minarette in der Schweiz ist in der EU auf scharfe Kritik gestoßen. Der schwedische Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Carl Bildt nannte das Votum der Schweizer vom Sonntag ein "negatives Signal". Der französische Außenminister Bernard Kouchner warf den Schweizern Intoleranz vor. Er sei "ein wenig entrüstet", sagte Kouchner dem Radiosender RTL. Applaus für das Schweizer Stimmvolk gab es dagegen von Europas Rechtspopulisten.
Während die EU-Kommission jeglichen Kommentar zur Entscheidung des "souveränen Drittstaates" Schweizer verweigerte, nahmen sich EU-Minister kein Blatt vor den Mund. "Das ist ein Ausdruck von ziemlich vielen Vorurteilen und vielleicht sogar Angst", sagte Ratsvorsitzender Bildt am Montag im schwedischen Rundfunk. "Ich finde es ein bisschen seltsam, so etwas per Referendum zu entscheiden. Wie hoch ein Gebäude sein soll und ob es errichtet werden darf, ist eine Frage für Stadtplaner", sagte auch der schwedische Integrationsminister Tobias Billström.
Religionsfreiheit in Österreich
Innenministerin Maria
Fekter betonte zum Auftakt eines Treffens der EU-Justiz und -Innenminister,
dass in Österreich "grundsätzlich Religionsfreiheit"
herrsche. Andererseits könnten die Bundesländer im Zuge der Raumordnung
entscheiden, "inwieweit Minarette ins Landschaftsbild passen". Die
deutsche Regierung betonte in einer ersten Reaktion den "hohen
Stellenwert" der Religionsfreiheit. CDU-Spitzenpolitiker Wolfgang
Bosbach sagte, man müsse die im Schweizer Votum zum Ausdruck gekommene Sorge
vor einer Islamisierung "ernst nehmen".
Deutliche Kritik kam vom Europarat. Das Votum gebe Anlass zu "tiefer Besorgnis" und könnte das "Gefühl des Ausgeschlossenseins" bei Muslimen verstärken, warnte der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Lluis Maria de Puig. Zum Europarat, dessen Mitglied die Schweiz ist, gehört auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Bern droht nun in Straßburg einer Klage wegen Verletzung der Religionsfreiheit.
FPÖ und BZÖ fordern Verbot
Während FPÖ und BZÖ ein
bundesweites Minarett-Verbot nach Vorarlberger und Kärntner Vorbild
forderten, kündigten Rechtspopulisten in Dänemark, den Niederlanden und
Frankreich eigene Anti-Minarett-Volksbegehren an. "Zum ersten Mal haben
sich Menschen in Europa der Islamisierung widersetzt", jubelte der Chef
der rechtspopulistischen niederländischen "Partei für die Freiheit",
Geert Wilders. "Ein Hurra auf die Schweiz!" sagte die Chefin der
dänischen Volkspartei (DF), Pia Kjaersgaard. Die Vizepräsidentin des
französischen Front National, Marine Le Pen, bezeichnete es in einem
Radiointerview als "skandalös", dass die Politik "dem
Willen des Volkes den Rücken kehrt". Sie verwies auf den laufenden
Bau eines muslimischen Gotteshauses in Straßburg. In Italien forderte die
rechtspopulistische Lega Nord als "starkes Signal" gegen die "pro-islamische
Ideologie" gar, das Kreuz auf der italienischen Fahne einzuführen.
Am EU-Ministertreffen zum Thema Schengen nahm auch die Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf teil. Sie war um Schadensbegrenzung bemüht und betonte, dass es sich nicht um eine "Abstimmung gegen den Islam" gehandelt habe. Die Schweizer wollten vielmehr ein Zeichen gegen "fundamentalistische Ausprägungen" des Islam setzen.
Konsequenzen noch unklar
Die Konsequenzen des Votums waren
vorerst unklar. Beobachter schlossen eine Klage gegen die Schweiz vor dem
EGMR nicht aus. Während die Initiatoren einer Moschee in Wil (Kanton Sankt
Gallen) am Montag ankündigten, das Minarett-Verbot respektieren zu wollen,
gab sich die islamische Gemeinde in Langenthal (Kanton Bern) kämpferisch.
Ihr Anwalt Daniel Kettinger teilte mit, dass man bis vor den EGMR ziehen
werde, um das geplante Minarett beim Moscheebau durchzusetzen.
Widmer-Schlumpf sagte, dass es derzeit "keine Anzeichen" für gewalttätige Ausschreitungen gegen Schweizer Auslandsvertretungen in muslimischen Ländern gebe. Dort war das Schweizer Votum mit Empörung aufgenommen worden. Türkische Zeitungen berichteten, dass sich die Schweiz nun auf Boykottaufrufe in muslimischen Ländern einstellen müsse. Der Chef der gemäßigten indonesischen Moslem-Organisation NU (Nahdlatul Ulama), Maskuri Abdillah, sagte, dass Protestkundgebungen kaum zu verhindern seien. Als erster Gewaltakt im Zusammenhang mit dem Schweizer Votum wurde am Sonntagabend die Eingangstür eines Parteilokals der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) in Zürich demoliert.
Die Schweizer hatten am gestrigen Sonntag mit 57,5 Prozent der Stimmen für einen Verfassungszusatz zur Untersagung von Minarett-Bauten gestimmt. Hinter der Initiative steht die SVP, die in Minaretten einen Ausdruck islamischen Machtanspruchs erkennt. Von den 7,5 Millionen Einwohnern der Schweiz sind 400.000 Muslime. Derzeit stehen vier Minarette in der Eidgenossenschaft.