EU
Schengen-Zone wird schrittweise erweitert
05.12.2006
Der Beitritt der osteuropäischen Nachbarländer soll laut einer Erklärung der EU bis März 2008 vollzogen sein.
Die Grenzkontrollen zu den osteuropäischen neuen EU-Staaten sollen spätestens 2008 der Vergangenheit angehören. Nach einem von den EU-Innenministern am Montag in Brüssel verabschiedeten neuen Zeitplan zur Erweiterung der Schengen-Zone soll der Beitritt der neuen EU-Staaten bis März 2008 vollzogen sein. Bereits im Dezember 2007 sollen laut der Erklärung der Innenminister die Personenkontrollen an den Land- und Seegrenzen aufgehoben werden, bis spätestens 30. März 2008 an den Flughäfen.
Innenministerin Liese Prokop sagte, damit bestehe die Möglichkeit, dass die Grenzen zu Beginn 2008 fallen würden. Diplomaten ergänzten, als symbolisches Zugeständnis an die neuen EU-Staaten hätten die Innenminister den 31. Dezember 2007 als Zieldatum für den Wegfall der Personenkontrollen an Land- und Seegrenzen vorgesehen.
Entscheidende Probezeit
Entscheidend für die Durchführung des
Zeitplans sei aber die Probezeit davor, betonte Prokop. "Es muss klar sein,
dass alle Voraussetzungen der Sicherheitsgarantien, die heute Standard sind,
erfüllt sein müssen." Im August 2007 soll das erweiterte
Schengen-Informationsystem technisch betriebsfähig sein. Bis Dezember will
dann die EU endgültig die Evaluierung abgeschlossen haben, mit der die
Schengen-Reife von Ungarn, Slowenien, Tschechien, der Slowakei, Polen,
Estland, Litauen, Malta in den nächsten Monaten geprüft werden soll.
Außerdem muss bis dahin die Funktionsfähigkeit des Systems bestätigt werden.
Bulgarien und Rumänien, die 2007 der Europäischen Union beitreten, nehmen an
der Schengen-Erweiterung vorerst nicht teil.
Bisher mache vor allem die Slowakei Probleme, sagte Prokop. "In der Evaluierung schneidet die Slowakei am schlechtesten ab." Das Land habe einige Standards nicht erfüllt, nunmehr soll dort ein eigens eingerichteter Schengen-Staatssekretär die Vorbereitung vorantreiben. Polen, das bisher wegen seiner langen EU-Außengrenze als problematisch galt, habe in den Berichten der EU-Experten dagegen gut abgeschnitten, sagte die Innenministerin. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hat indes die Kritik an der mangelnden Schengen-Reife seines Landes zurückgewiesen. Die Slowakei sei in der Lage, die Bewachung ihrer Ostgrenze zur Ukraine im Einklang mit den Schengenkriterien zu garantieren, sagte er laut der Tageszeitung "Sme" (Dienstagsausgabe).
Schengen-Informationssystem" für alle
Technisch soll
die Schengen-Erweiterung auf dem derzeitigen Computersystem (SIS I)
aufbauen, das zum "Schengen-Informationssystem" für alle erweitert wird.
Dieses System "SIS I für alle" sei aber nur als Zwischenlösung vorgesehen,
die Arbeiten an dem Nachfolgesystem SIS II müssten vorangetrieben werden,
sagte Prokop. Als Datum für die Inbetriebnahme des SIS II-Systems sei 2009
genannt worden, sagte die Innenministerin. Im Gegensatz zu dem derzeitigen
Schengen-Fahndungssystem soll SIS II auch Anfragen nach biometrischen Daten
wie Fingerabdrücken und Lichtbildern ermöglichen.
Die Investitionen für "SIS I für alle" werden von der EU auf 2,13 Millionen Euro, der Ausbau des Netzes auf 1,5 Millionen Euro geschätzt. Diese Extrakosten werden von allen EU-Staaten mit Ausnahme von Großbritannien und Irland getragen, die nicht Mitglied des Schengen-Raums sind.
Zypern werde sich an der vereinbarten Zwischenlösung nicht beteiligen, sagte Prokop. Auch die Schweiz wolle erst prüfen, ob sie bei "SIS I für alle" mitmache. Für die Fußball-EM 2008 "werden wir mit der Schweiz extra verhandeln müssen", kündigte Prokop an. Auch bilateral könnte zwischen Österreich und der Schweiz eine Lösung zur Sicherung der Grenzen für die EM gefunden werden. Die Schweiz behalte definitiv ihr Regime bis nach der Fussball-EM, sagte der Schweizer Justizminister Christoph Blocher nach dem Treffen mit der EU vor Schweizer Medien. "Wir haben uns so entschieden, weil es vorteilhafter ist, wir müssen für unsere Sicherheit sorgen."
Austausch von DNA-Spuren
Österreich und Deutschland starten am
Dienstag außerdem mit einem umfassenden polizeilichen Austausch von
DNA-Spuren. Ermöglicht wird dies durch eine Durchführungsvereinbarung zum so
genannten Prümer Vertrag ("Schengen III"), die vor dem Ministerrat am
Dienstag von den Innenministern der Vertragsstaaten Österreich, Deutschland,
Frankreich, Spanien, Belgien, Niederlande und Luxemburg in Brüssel
unterzeichnet wurde. Innenministerin Prokop bezeichnete die Vereinbarung als
"Meilenstein der Polizeizusammenarbeit". Die österreichischen Behörden
könnten umgehend mit einem Massenabgleich von DNA-Spuren in Deutschland
beginnen, rund 100 Fälle könnten voraussichtlich sofort gelöst werden, sagte
sie.
Der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble kündigte an, Berlin werde während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im nächsten Halbjahr versuchen, "den Vertrag von Prüm in den Rechtsrahmen der Europäischen Union zu überführen". Diplomaten ergänzten, das Thema stehe auf der Tagesordnung des informellen Innenministerrates im Jänner in Dresden. Am Ende sollten alle Vertragsstaaten gegenseitig Zugriff auf die DNA-Datenbanken sowie auf die Speicherung von Fingerabdrücken und von Kfz-Daten haben. Finnland, Slowenien, Portugal und Italien unterzeichneten am Dienstag eine Absichtserklärung, wonach sie dem Prümer Vertrag beitreten wollen.