Zerfall
Schweizer SVP schließt Tochterpartei aus
01.06.2008
Der Streit um die Graubündner Politikerin Widmer-Schlumpf spitzt sich zu. Die Graubündner Tochterpartei wurde aus der Bundes-SVP ausgeschlossen.
Die größte Partei der Schweiz, die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) steht vor dem Zerfall. Der SVP-Zentralvorstand hat am Sonntag beschlossen, die Graubündner Tochterpartei auszuschließen. Der Beschluss wurde mit 81 zu fünf Stimmen gefasst. Hintergrund ist der Streit um die Graubündner SVP-Politikerin Eveline Widmer-Schlumpf, die im Dezember gegen den Willen der Bundes-SVP in die Schweizer Regierung gewählt worden war. Eine Mitte-Links-Mehrheit im Berner Parlament hatte so die Wiederwahl des offiziellen SVP-Kandidaten Christoph Blocher verhindert.
Die SVP-Führung hatte daraufhin ihre Graubündner Tochterpartei aufgefordert, Widmer-Schlumpf aus der Partei auszuschließen. Nachdem die Regionalpartei dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, wurde diese nun im Kollektiv aus der Bundespartei ausgeschlossen. Beobachter schließen nicht aus, dass es nun zu einer Spaltung der Partei kommen wird und die Graubündner SVP gemeinsam mit gemäßigten Kräften in anderen SVP-Regionalparteien eine neue liberale Kraft gründen wird.
Brunner glaubt nicht an Parteispaltung
SVP-Chef Toni Brunner
zeigte sich nach dem Vorstandsbeschluss überzeugt davon, dass der Ausschluss
der Bündner Partei nicht zu einer Parteispaltung führe. Rudolf Joder, der
Präsident der SVP Kanton Bern, habe ihm gesagt, dass die Berner Sektion sich
nicht von der Schweizer SVP abtrennen wolle. Brunner sagte, er erwarte, dass
bald eine neue SVP-Sektion in Graubünden entstehe. Er habe entsprechende
Signale aus dem Ostschweizer Kanton erhalten, sagte er am Sonntag in Zürich.
Die Impulse für eine neue Sektion müssten aus dem Kanton selbst kommen.
Zu einzelnen Parteiaustritten von SVP-Mandatsträgern aus dem Kanton Bern könne es allerdings kommen. Laut Brunner waren es allesamt Berner Vertreter, die im Zentralvorstand gegen den Ausschluss der Graubündner Partei stimmten. Die Bündner selbst waren nicht stimmberechtigt.
Einspruch möglich
Gegen den Entscheid des Zentralvorstandes
kann die Bündner SVP innerhalb von 30 Tagen Einspruch einlegen. Definitiv
über den Ausschluss würde dann eine Delegiertenversammlung Anfang Juli
befinden. Da die kantonalen Sektionen sowohl in der Delegiertenversammlung
als auch im Zentralvorstand proportional vertreten seien, werde der
Entscheid kaum noch umgestoßen, sagte Brunner.
Der interimistische Chef der Graubündner SVP, Ueli Bleiker, zeigte sich nach der Sitzung des SVP-Zentralvorstandes enttäuscht. Es habe noch mehr Stimmen gegen seine Sektion gegeben als vor zwei Wochen, sagte er. Offensichtlich seien unentschlossene Mitglieder des Vorstands aktiv bearbeitet worden, sagte Bleiker. Auf welche Weise Druck auf sie ausgeübt worden sei, darüber könne nur gemutmaßt werden.
Wie die ausgeschlossene Bündner Sektion weiter vorgehen wird, war am Sonntag nicht zu erfahren. Bleiker verwies auf eine Pressekonferenz am Montag in der Früh. Die SVP Graubünden habe aber bereits im Vorfeld der Zentralvorstandssitzung darüber entschieden, wie sie nach einem Ausschluss vorgehen werde.
Die Bündner SVP-Sektion hat ihre Wurzeln in der Demokratischen Partei Graubünden, die 1919 aus einer Abspaltung von der FDP entstand. 1971 schlossen sich die Bündner Demokraten der SVP Schweiz an, die damals von Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) in Schweizerische Volkspartei (SVP) umbenannt wurde.