Rumsfeld-Rücktritt
Schweres Erbe für Gates
08.11.2006
Nach dem Knalleffekt-Rücktritt von US-Verteidigungminister Donald Rumsfeld fragt sich die Welt: Wer ist dieser Robert Gates, der Rumsfeld nachfolgt? Fest steht jedenfalls: Der Ex-CIA-Direktor tritt ein schweres Erbe an.
Die letzten Jahre hatte Robert Gates als Universitätspräsident in einer texanischen Studentenstadt verbracht, nun wurde er praktisch über Nacht zum Retter der Präsidentschaft von George W. Bush berufen. Als nächster Verteidigungsminister muss der 63-Jährige die Probleme lösen, die sein Vorgänger Donald Rumsfeld mit dem verfahrenen Einsatz der US-Truppen im Irak hinterlassen hat. Mit der harten Trennung von seinem langjährigen Weggefährten Rumsfeld signalisiert Bush, dass er nach aller Schönrednerei im Wahlkampf das Debakel der USA im Irak anerkennt. Mit Bushs neuem Mann im Pentagon soll es nun einen Kurswechsel geben. Das hoffen auch viele kriegsmüde Republikaner.
Wunsch nach „frischer Perspektive“
Bushs
Personalentscheidung kommt einem Eingeständnis des Scheiterns nahe. Rumsfeld
ist einer der Architekten des Krieges, mit dem Bush als Bezwinger des
Terrorismus in die Geschichte eingehen wollte. Doch die Dinge stehen so
schlecht, dass sich das Problem nicht mehr kaschieren ließ. "Rumsfeld
versteht selbst, dass es im Irak nicht gut genug und nicht schnell genug
läuft", räumte Bush am Mittwochabend ein. Die schmerzhafte Niederlage der
Republikaner bei der Kongresswahl sei eine Botschaft, die er verstanden
habe. Das US-Verteidigungsministerium brauche nun eine "frische
Perspektive", und dafür brauche es einen frischen Minister.
Auf gutem Fuß mit der Familie Bush
Ob Gates frischen Wind
entfachen kann, bleibt abzuwarten. Der designierte Minister ist tief
verwurzelt im sicherheitspolitischen Establishment der USA - und er steht
mit der Familie Bush auf gutem Fuß. Unter der Präsidentschaft von George
Bush senior wurde Gates im Jahr 1991 Chef des Geheimdiensts CIA. Zuvor war
er unter dem Vater des jetzigen Präsidenten stellvertretender nationaler
Sicherheitsberater. Der Kalte Krieg prägte seine Ansichten. In den
vergangenen Jahren leitete er die A&M-Universität in Texas. Nebenbei
arbeitete Gates zuletzt in der Iraq Study Group mit, einem überparteilichen
Gremium, das im Auftrag des Kongresses Auswege aus der Irak-Krise weisen
soll. Bush kündigte bereits an, dass er die demnächst vorgelegten Vorschläge
der Kommission berücksichtigen werde.
„Wir brauchen Realismus“
Kenner erwarten von Gates
einen pragmatischeren Ansatz als von dem streitlustigen neokonservativen
Ideologen Rumsfeld. Der demokratische Senator Joseph Biden sagte, Gates habe
"eine realistischere Vorstellung der Lage, in der wir uns befinden", als sie
Rumsfeld hatte. "Und das, was wir jetzt als Erstes brauchen, ist Realismus."
Damit griff Biden einen der beständigsten Kritikpunkte an Rumsfeld auf.
Zuletzt hatten selbst Parteifreunde und pensionierte Generäle dem Minister
zur Last gelegt, sich im Irak ohne jeden Realitätssinn über den Rat
erfahrener Militärs hinweggesetzt und dadurch in das derzeitige Schlamassel
geraten zu sein.
„Die Geschichte wird mir Recht geben“
Bei seiner
Verabschiedung im Weiße Haus am Mittwoch gab Rumsfeld noch einmal all jenen
Munition, die ihm Wirklichkeitsverlust attestieren: "Der erste Krieg des 21.
Jahrhunderts wird nicht richtig verstanden, er ist zu wenig bekannt, er ist
zu schwer zu verstehen für die Leute", sagte Rumsfeld. Er sei sich aber
sicher, dass die Geschichte ihm Recht geben wird. Im Klartext: Nicht der
Krieg sei das Problem, sondern eher die Leute, die ihn nicht verstehen.
Es hörte sich wie eine bewusste Abgrenzung zu Rumsfeld an, als Bush die Charaktereigenschaften von Gates hervorhob: "Integrität, Klarheit und gesundes Urteilsvermögen". Und er betonte eine Fähigkeit, die der künftige Minister bei der Zusammenarbeit mit der demokratischen Mehrheit im nächsten Kongress dringend brauchen wird: "Er hat mit Politikern beider Seiten zusammengearbeitet, um die nationale Sicherheit zu stärken." Mit der polarisierenden Figur Rumsfeld - da sind sich Republikaner wie Demokraten weithin einig - wäre die nötige überparteiliche Zusammenarbeit in den kommenden Jahren nicht möglich gewesen.