Offiziell dient das Dekret zur "Sicherung" serbischen Eigentums. Protestnoten aus den Nachbarstaaten folgten umgehend.
Mit einem Dekret über die faktische Enteignung von Unternehmen aus früheren jugoslawischen Teilrepubliken hat sich die serbische Regierung den Zorn Sloweniens, Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas zugezogen. Die drei Staaten reagierten mit diplomatischen Protestnoten auf die vor einem Monat noch unter dem national-konservativen Premier Vojislav Kostunica getroffene Entscheidung, weil sie dem von allen sechs früheren jugoslawischen Teilrepubliken ratifizierten Sukzessionsabkommen widerspreche.
"Sicherung serbischen Eigentum"
Wie der slowenische
Fernsehsender RTV Slovenija berichtete, sei auf Grundlage des Dekrets
bereits die Versteigerung von Liegenschaften zumindest eines slowenischen
Unternehmens eingeleitet worden. Offiziell dient das Dekret zur "Sicherung"
nach dem Zerfall Jugoslawiens in den anderen Teilrepubliken verbliebenen
serbischen Eigentums, das bisher noch nicht zurückerstattet worden sei.
Zugleich ermöglicht es den Verkauf des Eigentums ex-jugoslawischer
Unternehmen in Serbien.
Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina wollen sich nicht auf einen Handel dieser Art einlassen. Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa rief seinen neuen serbischen Amtskollegen Mirko Cvetkovic am Dienstag an und betonte, dass das Dekret "ein großes Problem" für die EU-Annäherungsambitionen Serbiens darstelle, meldete die slowenische Nachrichtenagentur STA. Der slowenische Außenminister Dimitrij Rupel äußerte nach einem Treffen mit dem serbischen Chefdiplomaten Vuk Jeremic in Brüssel die Hoffnung, dass Belgrad die Umsetzung des Dekrets zumindest auf Eis legen werde, damit "kein nicht wieder gut zu machender Schaden entsteht".
Protestnoten auch aus Kroatien und Bosnien
Auch Kroatien und
Bosnien-Herzegowina schickten diplomatische Protestnoten nach Belgrad. Das
kroatische Außenministerium bezeichnete das Dekret als "inakzeptabel", da es
nachträglich die Bestimmungen des Sukzessionsabkommens verändere. Das
Ministerium werde "alle diplomatischen Mittel" zum Schutz kroatischer
Interessen einsetzen. Auch der bosnische Außenminister Sven Alkalaj pochte
in der Tageszeitung "Dnevni Avaz" auf die Einhaltung des
Sukzessionsabkommens.
Antwort auf Anerkennung des Kosovo?
Die serbische Tageszeitung
"Danas" schreibt unter Berufung auf informierte Kreise, dass das Dekret eine
Retourkutsche für die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch
Slowenien und Kroatien gewesen sei. Der frühere serbische Ministerpräsident
Kostunica zählt zu den erbittertsten Gegnern der vom Westen abgesegneten
Loslösung der südserbischen Provinz.
Kritik innerhalb der Demokratischen Partei
Innerhalb der unter
Kostunica mitregierenden und nun den Ministerpräsidenten stellenden
pro-westlichen Demokratischen Partei (DS) scheint man nicht besonders
glücklich mit dem Dekret zu sein. So sagte der DS-Abgeordnete Bosko Ristic
unter Verweis auf das Argument der "Sicherung" von Eigentum, dass sich das
serbische Eigentum in Kroatien auf 1,8 Milliarden Euro belaufe und das
kroatische in Serbien nur auf eine Milliarde Euro. Zugleich gefährde es die
EU-Annäherung Serbiens, wenn man Unternehmen des Unionsmitglieds Slowenien
das Eigentum wegnehme. Das Dekret sei nicht nur "verfassungswidrig und
illegal", es richte auch mehr Schaden an als es nütze, so Ristic.