Der Streitpunkt Kosovo und die Politik Premier Kostunicas sorgte für eine Regierungskrise in Belgrad und stärkt die Radikalen.
Serbiens Premier Vojislav Kostunica läßt keinen Zweifel aufkommen. Serbien könne nur als ein ganzes Land, also inklusive des Kosovo, zum Mitglied der Europäischen Union werden, versicherte der Ministerpräsident Ende vergangener Woche. Eine Normalisierung der Beziehungen mit jenen Staaten, die den Kosovo anerkannt haben, ist Kostunica zufolge ausgeschlossen, solange sie ihre Entscheidung nicht rückgängig machen würden.
Wie erst am Wochenende bekannt wurde, plädierte der Regierungschef bei der Sitzung des Rates für Nationale Sicherheit einige Tage zuvor auch für eine Reduzierung der diplomatischen Beziehungen mit solchen Staaten. Der Kosovo wurde inzwischen von 22 Staaten anerkannt, in weiteren fünf Staaten ist das Anerkennungsverfahren im Gange.
Gegen Isolation Serbiens
Die Bündnispartner Kostunicas, der Chef
der Demokratischen Partei Tadic und der Chef der Expertenpartei G17-plus,
Wirtschaftsminister Mladjan Dinkic, ließen nun ihre Unzufriedenheit mit
einer solchen Landespolitik klar erkennen. Ein Ausweg aus der schweren
Regierungskrise ist vorerst aber noch nicht abzusehen.
"Die Regierung beruht auf den fünf Prinzipien, unterstrict Tadic bei einem Treffen der DS-Führung am Sonntag, "sollten sie von jemanden nicht mehr beachtet werden, so kann es die Regierung nicht mehr geben. Will jemand die Regierung stürzen, so kann er dies jederzeit tun". Sowohl das Ringen um den Kosovo wie auch die EU-Eingliederung Serbiens zu den Regierungsprizipien.
Allerdings sieht Tadic im Gegensatz zu Kostunica keine Ausschließlichkeit. Diejenigen, die behaupteten, dass eine EU-Annäherung Serbiens den Verzicht auf den Kosovo bedeute, würden die Bürger Serbiens "brutal" täuschen. "Ein isoliertes und einsames Serbien hat keine Fähigkeit, seine Gebietseinheit und den Kosovo zu verteidigen", warnte Tadic.
"Irreale politische Ziele"
Minister Dinkic, der
vergangene Woche die Partner aus der Demokratischen Partei Serbiens (DSS)
sogar beschuldigte, mit ihrer Politik das Land in einen "kollektiven
Wahnsinn" führen zu wollen, warf dem Premier am Sonntag vor, "irreale
politische Ziele" zu verfolgen. "Für mich hat der wirtschaftliche
Standard der Bürger die größte Priorität. Das Höchste, was wir tun können,
ist zu verhindern, dass der Kosovo in die Vereinten Nationen aufgenommen wird",
meinte der Minister.
Dinkic machte auch keinen Hehl daraus, dass ein Weiterbestehen der Regierungskoalition nur ein Zeitvergeuden sei, sollte die DSS seine aktuelle Politik nicht abändern. "Der Kosovo wurde 1999 verloren. Es gilt, für die Serben im Kosovo und die (sebisch-orthodoxen) Klöster zu ringen, wir können jedoch nicht den ganzen Staat in eine andere Richtung umdrehen und sagen, dass wir nicht in die Europäische Union gehen wollen", ist Minister Dinkic überzeugt.
Radikale im Vormarsch
Premier Kostunica, dessen Verhaltensweise
seit einiger Zeit bereits häufig mit jener des einstigen Staatschefs
Slobodan Milosevic verglichen wird, rechnet damit, sich dank der Opposition,
vor allem der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei, für seine
Politik jederzeit eine klare Parlamentsmehrheit sichern zu können.
Sollte es demnächst tatsächlich zur vorgezogenen Parlamentswahl kommen, so hat Kostunica den Weg für ein Comeback der Serbischen Radikalen Partei gebahnt. Laut den jüngsten Umfragen genießt diese die Unterstützung von knapp 40 Prozent der Bürger Serbiens. Die DSS samt dem Junior-Partner, der Partei "Neues Serbien", kommt auf nur noch zehn Prozent. Die DS und G17-plus rechnen mit der Unterstützung von knapp 38 Prozent der Bürger Serbiens.