Ex-Premier Orban, Chef der bei den Kommunal- und Regionalwahlen erfolgreichen rechtskonservativen Fidesz, fordert den Rücktritt der Regierung.
Die Kommunal- und Regionalwahlen in Ungarn haben am Sonntag mit einem deutlichen Sieg der rechtskonservativen Opposition geendet. Ex-Premier Viktor Orban, Chef der größten Oppositionspartei Fidesz-Ungarischer Bürgerverband, forderte umgehend einen Rücktritt der Regierung, die seiner Meinung nach nun "abgewählt" sei. Der sozialistische Premier Ferenc Gyurcsany lehnte die Forderung am Sonntagabend in Budapest ab und bestätigte, im Amt bleiben und die geplanten Reformen weiterführen zu wollen. Orban sprach von einer "historischen Niederlage der MSZP (Sozialisten) und einem historischen Sieg für die Wahrheit". Die Menschen hätten entschieden, dass sie die derzeitige Regierung, den derzeitigen Regierungschef für "ungeeignet" hielten.
Premier Gyurcsany bestätigte, die Kritik "gehört und verstanden " zu haben, die sich im Wahlergebnis ausgedrückt habe. Gleichzeitig betonte er auch, wie wichtig die von seinem Kabinett kurz nach dessen Wiederwahl im Frühjahr angekündigten Einschränkungen und Reformen seien - selbst wenn diese mit einem Popularitätsverlust für das Kabinett einhergingen. "Wenn ich nur daran denken würde, was Unterstützung bringt, würde das Land draufgehen", betonte er vor Journalisten.
Brisante Ansprache des Präsidenten
Kurz nach Wahlschluss hatte eine Ansprache von Staatspräsident Laszlo Solyom für geteilte Meinungen besorgt. Der den Konservativen nahe stehende Solyom hatte darin heftig die Gyurcsany-Regierung kritisiert und von einer "ernsten moralischen Krise" des Landes gesprochen. Er wies das Parlament an, nun das "Handeln" zu übernehmen, und betonte, die Volksvertretung "bestimmt die Person des Ministerpräsidenten". Dies war verschiedentlich als Aufforderung an das Parlament interpretiert worden, Premier Gyurcsany abzulösen.
Die sozialistische Parlamentspräsidentin Katalin Szili bezeichnete die Rede gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender m1 am späten Sonntagabend als "eines Staatspräsidenten nicht würdig". Ein Fidesz-Sprecher begrüßte hingegen die Ansprache und dankte Solyom, "klar den Weg gezeigt" zu haben.
Deutliche Zuwächse für Fidesz
Fidesz und seine Verbündeten konnten auf allen Ebenen deutliche Zuwächse verzeichnen. In praktisch sämtlichen Komitatsräten gibt es nun eine rechtskonservative Mehrheit. Im südwestungarischen Komitat Somogy und im nordungarischen Komitat Heves entstand in der Regionalvertretung offenbar eine Pattsituation zwischen der linksliberalen und der rechtskonservativen Seite. Ähnlich war die Lage im 66-köpfigen Stadtrat von Budapest, das nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen ein Patt zwischen Linksliberalen und Rechtskonservativen mit je 33 Mandaten zeigte.
In Budapest siegte nach Auszählung von rund 98,6 Prozent der Stimmen der seit 16 Jahren regierende liberale (SZDSZ) Bürgermeister Gabor Demszky (46,9 Prozent) mit nur rund 1,8 Prozentpunkten denkbar knapp vor seinem unabhängigen Herausforderer Istvan Tarlos (45,1 Prozent), der von der rechtskonservativen Opposition unterstützt wird. Tarlos erkannte am späten Sonntagabend seine Niederlage an, wies aber in einer Ansprache vor Anhängern auch auf das knappe Ergebnis hin. Dies war das bisher bei weitem knappeste Rennen, das Demszky für das Bürgermeisteramt der Landeshauptstadt bestritt. Der Liberale hatte zum fünften Mal für den Posten kandidiert.
Anti-Regierungs-Demos gehen weiter
Unterdessen gingen nach Ende der Kampagnenruhe mit dem Wahlschluss um 19.00 Uhr die Anti-Regierungs-Demonstrationen der vergangenen zwei Wochen weiter. Tausende Menschen versammelten sich am Abend vor dem Budapester Parlament, um weiter die Abdankung der Regierung und Ferenc Gyurcsanys zu fordern. Auch in einigen Provinzstädten kam es zu kleineren Kundgebungen. Die Demonstrationen waren durch ein vor zwei Wochen an die Öffentlichkeit gelangtes Tonband ausgelöst worden, auf dem Gyurcsany vor Parteikollegen im heurigen Mai von der Notwendigkeit von Reformen spricht und dabei sagt, man habe in den vergangenen Jahren "in der Früh, zu Mittag und am Abend gelogen" .
Die Wahlbeteiligung betrug 53,10 Prozent und lag damit über dem Wert von vor vier Jahren (51,11 Prozent). Es ist dies die höchste Beteiligung an einer Kommunalwahl in Ungarn seit den ersten freien Wahlen 1990.