Neuer SPD-Chef
Sigmar Gabriel - neuer Hoffnungsträger
29.09.2009
Der "Harzer Roller" gilt als unbedingt kampagnenfähig.
Vor einigen Jahren wurde er schon politisch totgesagt, jetzt könnte Sigmar Gabriel der neue Hoffnungsträger der SPD werden. Nach dem zögernden Abschied Franz Münteferings vom Parteivorsitz scheint er derjenige zu sein, der auf dem Parteitag im November in Dresden als sein Nachfolger gewählt werden soll. Damit wäre der "Harzer Roller", wie der schwergewichtige SPD-Politiker halb spöttisch, halb respektvoll genannt wird, in einer Schlüsselposition auch für die SPD-Kanzlerkandidatur 2013.
"Der tritt ja wie ein Kanzler auf"
Sein Amt als
Umweltminister hat der frühere niedersächsische Ministerpräsident genutzt,
um im In- und Ausland an Profil zu gewinnen. Auf der wichtigen
UN-Klimakonferenz 2007 auf Bali war er einer derjenigen, die die
Verhandlungen maßgeblich und damals noch gegen den Widerstand der
US-Regierung unter George W. Bush voranbrachten. "Der tritt ja wie ein
Kanzler auf", zeigten sich deutsche Wirtschaftsvertreter 2008 bei einer
Reise Gabriels nach Peking erstaunt.
Schnell eingarbeitet
Im Inland wurde Gabriel zwar sein Engagement
beispielsweise für neue Kohlekraftwerke oder gegen zu strenge
Emissionsauflagen für die Automobilindustrie vorgehalten. Auch die stets
kritischen Umweltverbände erkannten jedoch an, dass sich der SPD-Mann nach
seinem Amtsantritt 2005 schnell und effektiv in sein neues Ressort
eingearbeitet und danach umweltpolitisch ziemlich viel bewegt hat. Das
Scheitern des angestrebten Umweltgesetzbuchs an der CDU/CSU wurde nicht ihm
angelastet.
Im Bundestagswahlkampf war Gabriel im "Team Steinmeier" das Mitglied, dem es wohl am besten gelang, die SPD beim Thema Atom zumindest zwischendurch immer wieder in die Offensive zu bringen. Er hatte sich bereits in den 80er Jahren für einen Ausstieg eingesetzt, als dies in der SPD noch nicht mehrheitsfähig war. Auch politische Gegner äußern sich zwar verärgert, aber mit Respekt über seine "Kampagnenfähigkeit" - eine Qualität, die bei dem neuen SPD-Chef dringend gefragt sein dürfte.
Karriere keineswegs geradlinig
Zuvor war Gabriels Karriere
keineswegs immer geradlinig verlaufen. Geboren am 12. September 1959 in
Goslar studierte er im nahen Göttingen Deutsch, Politik und Soziologie. 1977
trat er der SPD bei. 1987 wurde er in Goslar in den Kreistag gewählt, 1990
dann in den niedersächsischen Landtag, wo er 1998 Fraktionschef wurde. Als
Ministerpräsident Gerhard Glogowski Ende 1999 wegen einer Reiseaffäre
zurücktreten musste, übernahm Gabriel für gut drei Jahre das Amt - bis die
Niedersachsen-SPD bei der Wahl 2003 in den Abwärtssog der Bundespartei
geriet und von Christian Wulffs CDU geschlagen wurde.
Gabriel wurde Oppositionschef im Landtag und geriet bundespolitisch damit zunächst ins Abseits. Zusätzlich belastet wurde seine Karriere durch das Bekanntwerden eines Beratervertrages beim Volkswagen-Konzern, den ihm ausgerechnet der damalige Personalvorstand Peter Hartz vermittelt hatte. Gabriel gestand eigene Fehler ein, schaffte 2005 den Sprung in den Bundestag - und fand sich am Kabinettstisch der großen Koalition wieder.
Pragmatiker
In der Fraktion schloss sich Gabriel dem
reformorientieren "Netzwerk" an. Doch auch der Seeheimer Kreis der
Parteirechten führt ihn auf seiner Liste. Der 50-Jährige gilt als
Pragmatiker. Kritiker warfen ihm aber auch Arroganz und gelegentlich das
Fehlen einer klaren Linie vor. Eine feste Hausmacht in seiner Partei hat
Gabriel nicht, weswegen er regelmäßig bei innerparteilichen Wahlen zittern
muss. So scheiterte Gabriel 2007 mit dem Versuch, sich ins Parteipräsidium
wählen zu lassen, am Widerstand der Parteilinken, aber auch an mangelnder
Unterstützung der Parteirechten.
Jetzt könnte Gabriel genau der Umstand, dass ihn weder Parteilinke noch -rechte als einen der ihren ansehen, nützlich sein. Mit ihm als SPD-Chef, Frank-Walter Steinmeier als Fraktionschef und der Parteilinken Andrea Nahles als Generalsekretärin hätte die SPD ein Spitzenteam, in dem sich alle Flügel wiederfinden könnten.