Angesichts des Energienotstands wegen der Gaskrise nimmt die Slowakei einen Reaktor im Atomkraftwerk Bohunice wieder in Betrieb.
Die Slowakei geht damit auf Konfrontationskurs mit der Europäischen Union. In einer Sondersitzung beschloss die slowakische Regierung am Samstagabend, den erst mit Jahresende abgeschalteten zweiten Reaktor der Anlage V2 wieder hochzufahren. Der erste Reaktor dieses AKW sowjetischer Bauart war auf EU-Geheiß bereits vor zwei Jahren eingemottet worden.
Die Wiederinbetriebnahme des abgeschalteten Reaktors stelle eine 100-prozentige Versorgung der slowakischen Bürger mit elektrischer Energie sicher, sagte Regierungschef Robert Fico zur Begründung. Laut Bohunice-Betreiber JAVYS kann der Reaktor innerhalb von sieben Tagen wieder Strom produzieren. Die Abschaltung des Reaktors mit Ende 2008 war eine Bedingung für den EU-Beitritt der Slowakei gewesen. Bratislava darf den Reaktor nur starten, wenn alle anderen EU-Staaten dem zustimmen. Der slowakische Wirtschaftsminister Lubomir Jahnatek sagte am Samstag jedoch, EU-Energiekommissar Andris Piebalgs habe Verständnis angesichts der derzeitigen "außerordentlichen Notsituation" der Slowakei signalisiert. Das Land ist vom Stopp der russischen Gaslieferungen besonders hart getroffen worden.
"Verletzen den EU-Beitrittsvertrag wegen Notlage"
Regierungschef
Robert Fico räumte nach der Sondersitzung der Regierung ein, dass Bratislava
mit der Wiederinbetriebnahme des abgeschalteten Reaktors in Bohunice den
EU-Beitrittsvertrag verletze. "Wir sind uns bewusst, dass wir den
EU-Beitrittsvertrag verletzen. Wir befinden uns aber in einer Notlage."
Durch die Gaskrise sei nämlich auch die Versorgung des Landes mit elektrischem Strom gefährdet. "Ohne diese Entscheidung würde der Slowakei ein Blackout (Stromausfall, Anm.) drohen." Eine solche Gefährdung der Versorgungssicherheit könne sich das Land aber nicht erlauben, betonte der linksgerichtete Regierungschef. "Der zweite Block (des AKW Bohunice, Anm.) wird in Betrieb bleiben, bis die volle Versorgung mit Gas gewährleistet wird", so Fico.
Vertragsverletzungsverfahren droht
Die Verpflichtung der Slowakei
zur Abschaltung von Bohunice kann nur durch einen einstimmigen Beschluss der
EU-Staaten außer Kraft gesetzt werden, da sie im EU-Beitrittsvertrag
festgeschrieben ist. Ein solcher Beschluss gilt auch wegen der strikten
Anti-Atom-Haltung Österreichs als illusorisch. So betonte Außenminister
Michael Spindelegger (V) am Freitag am Rande eines Besuchs in Prag, dass
Bratislava in dieser Frage den EU-Vertrag einhalten müsse. Bratislava droht
nun ein Vertragsverletzungsverfahren. Fico sagte, er sei sich bewusst, dass
die slowakische Entscheidung in der EU nicht auf Zustimmung stoßen werde.