Slowenien wirft Kroatien vor slowenisches Territorium zu beanspruchen, mit dem Veto rückt der Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien in weite Ferne.
Entgegen heftigen kroatischen Protesten hat Slowenien am heutigen Donnerstag offiziell sein Veto gegen einen großen Teil der EU-Beitrittsverhandlungen Kroatiens eingelegt. Wie EU-Diplomaten in Brüssel mitteilten, können damit bei der Beitrittskonferenz mit Zagreb am Freitag nur eines statt neun Kapitel zusätzlich eröffnet und nur drei statt fünf abgeschlossen werden. Die EU-Kommission kritisierte die Blockade, die von Ljubljana mit kroatischen Gebietsansprüchen auf slowenisches Territorium begründet wird. Der kroatische Regierungschef Ivo Sanader sprach von "Erpressung".
Kroatien hat bisher erst vier der 35 Verhandlungskapitel abgeschlossen, weitere 14 wurden noch überhaupt nicht eröffnet. Um das Zieldatum für einen Abschluss der Gespräche (Ende 2009) noch erreichen zu können, sind daher unbedingt Fortschritte erforderlich. EU-Kommission und EU-Ratsvorsitz wollten am Freitag insgesamt 30 der 35 Kapitel eröffnen. Wegen des slowenischen Vetos werden es nun aber nur 22 Kapitel sein. Die Zahl der abgeschlossenen Kapitel wird sich auf sieben erhöhen.
Streit um Staatsgebiet
Slowenien wirft Kroatien vor, in den
betroffenen Kapiteln Landkarten vorgelegt zu haben, auf denen von Slowenien
beanspruchte Gebiete als kroatisch ausgewiesen werden. Eine Zustimmung zu
Beitrittsgesprächen auf Basis dieser Dokumente käme einem Verzicht auf
Staatsgebiet gleich. Daher forderte Slowenien umfassende Garantien, dass die
Dokumente kein Präjudiz für den künftigen Grenzverlauf sind. Zagreb wollte
jedoch die gewünschten Zusicherungen nicht geben, weswegen Premier Pahor am
gestrigen Mittwoch das slowenische Veto ankündigte.
Kritik der EU-Kommission
Die EU-Kommission kritisierte die
slowenische Entscheidung am Donnerstag. Die Grenzfrage sei eine bilaterale
Frage, "die nicht auf den Tisch der Beitrittsverhandlungen gebracht werden
sollte", sagte Krisztina Nagy, Sprecherin von EU-Erweiterungskommissar Olli
Rehn, in Brüssel. Außenminister Michael Spindelegger (V) bezeichnete es im
Ö1-Mittagsjournal als "schade", dass der Beitrittsprozess aufgehalten worden
sei. Österreich stehe mit beiden Ländern im engen Kontakt, um sie bei der
Konfliktlösung zu unterstützen.
Der slowenische Europaabgeordnete Lojze Peterle sagte am Mittwochabend, er rechne nicht damit, dass Slowenien nun von den EU-Partnern unter Druck gesetzt werde. Er verwies darauf, dass Italien in den 1990er Jahren mehrere Monate lang die EU-Annäherung Sloweniens wegen eines Streits um die Grundverkehrsliberalisierung blockiert habe. Damals hätten alle EU-Staaten Verständnis für Ljubljana gezeigt, doch sei keines gegen Rom vorgegangen. "Es gibt innerhalb der EU eine gewisse Solidarität und darauf zähle ich auch im Fall Sloweniens", sagte Peterle.
"Kroatien wird das Problem lösen"
Kroatien baut
ebenfalls auf die Unterstützung der EU im Konflikt mit Slowenien. "Ljubljana
ist kein Problem Zagrebs mehr, sondern eines von Brüssel", sagte der
kroatische Staatspräsident Stjepan Mesic am Donnerstag. Premier Ivo Sanader
kündigte an, mit einem Brief an alle EU-Regierungschefs für die kroatische
Position werben zu wollen. "Kroatien wird dieses Problem lösen. Kroatien
wird in die EU kommen, und es ist nur eine Frage von Tagen, Wochen oder
Monaten, bis Slowenien versteht, dass es nicht auf diese Art und Weise
erpressen kann", sagte Sanader nach einem Treffen mit den Chefs der
kroatischen Parlamentsparteien am Donnerstag in Zagreb. Zugleich schloss er
ein Nachgeben gegenüber Slowenien aus. "Wir werden uns die EU-Mitgliedschaft
nicht mit Staatsgebiet erkaufen."
Auswirkungen auf wirtschaftliche Beziehungen
Laut Mesic wird das
slowenische Veto auch Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen den Ländern haben. Medienberichten zufolge hat in Kroatien ein
Boykott slowenischer Produkte eingesetzt. Der Zagreber Rechtsprofessor
Sinisa Rodin schlug vor, dass Kroatien als Vergeltungsmaßnahme die mit der
EU vereinbarte Öffnung seines Immobilienmarktes für slowenische Bürger
wieder rückgängig machen soll. In einem Kommentar der Zagreber Zeitung
"Jutarnji list" wurde der Regierung jedoch ein Einlenken gegenüber Ljubljana
nahegelegt. Dies habe nämlich auch Slowenien angesichts des italienischen
Vetos getan. Ljubljana sei nur so in die EU gekommen, "und hat nichts von
seinem Nationalstolz und seiner Identität verloren, und auch nichts an
Ansehen in der Welt, im Gegenteil".