Der Berliner Bürgermeister Wowereit fordert einen neuen Umgang mit der Linkspartei.
Nach der historischen Wahlschlappe bei der Bundestagswahl ringt die SPD um ihr künftiges Profil. Die SPD müsse nun "über Inhalte, über Personen, über Konstellationen" sprechen, sagte Parteichef Franz Müntefering am Montag im Deutschlandfunk. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte, im Umgang mit der Linkspartei die "Tabuisierung" zu beenden.
Keine Klientelpartei
Die SPD dürfe keine "Klientelpartei werden,
sondern wir wollen eine Volkspartei sein, die die Verantwortung fürs Ganze
übernimmt", sagte Müntefering. Der Parteivorsitzende räumte ein, dass die
Wahlniederlage der SPD eine "historische Dimension" habe. Müntefering zeigte
sich jedoch kämpferisch und bekräftigte, beim Neuanfang mithelfen zu wollen:
"Ich will alles dazu beitragen, dass die sozialdemokratische Idee in
Deutschland eine Zukunft hat."
Die SPD hatte bei der Bundestagswahl am Sonntag mehr als elf Prozentpunkte verloren und stürzte auf 23 Prozent ab. Die Sozialdemokraten kamen damit auf ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl überhaupt und mussten den Platz in der Regierung zugunsten der FDP räumen.
Steinmeier soll bleiben
"Ich wünsche mir sehr, dass bei dem
Neuanfang Frank-Walter Steinmeier die tragende Rolle spielt", sagte
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. "Wir brauchen dringend
einen, der integrieren kann, der mitten in der Partei ist." Platzeck, der
bei der Landtagswahl im Gegensatz zum Bund sein Ergebnis verbessern konnte,
deutete damit indirekt an, dass Steinmeier neben dem Fraktionsvorsitz auch
den Parteivorsitz übernehmen sollte. "Die SPD braucht eine
Rundumerneuerung", forderte Vizeparteichefin Andrea Nahles. Die
einflussreiche Vertreterin der Parteilinken fügte hinzu: "Ein 'weiter so'
geht nicht."
Steinmeier hatte am Sonntagabend angekündigt, dass er den Fraktionsvorsitz anstrebe. Seine Wahl durch die um ein Drittel auf 146 Abgeordnete geschrumpfte Bundestagsfraktion am Dienstag oder Mittwoch gilt als sicher.
Neupositionierung
Wowereit rief seine Partei zu einer
Neupositionierung im Umgang mit der Linken auf. "Für die SPD ist angesagt,
dass wir jetzt nicht die Tabuisierung weitermachen", sagte der in Berlin
bereits mit der Linkspartei regierende Wowereit vor der Sitzung des
SPD-Präsidiums am Montag in Berlin. Zwar bedeute dies nicht, dass
automatisch eine Zusammenarbeit zwischen SPD und Linken im Bund möglich sei,
weil dies auch von den Positionen der Linken abhänge, "aber das Tabu muss
weg, das macht keinen Sinn mehr", verlangte der SPD-Politiker.
Auch der SPD-Linke Björn Böhning sprach sich für eine Annäherung an die Linkspartei aus. "Wir müssen alles darauf anlegen, dass die Kanzlerfähigkeit der SPD für 2013 wieder hergestellt wird, sicher auf Basis eines rot-rot-grünen Bündnisses", sagte er N24. Dafür müsse sich die Linkspartei entwickeln und die SPD öffnen. Juso-Chefin Franziska Drohsel forderte in der "Leipziger Volkszeitung", die SPD müsse klären, wo sie "in Zukunft im Parteiensystem stehen soll". Zur "strategischen Neubestimmung" gehöre auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Linkspartei.
Warnung
SPD-Vize Andrea Nahles und Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel warnten vor Streit in den eigenen Reihen. "Was wir jetzt nicht
gebrauchen können, ist, dass unsere Partei auseinanderfällt", sagte Nahles
der ARD. Gabriel fügte im "Spiegel" hinzu: "Wir haben alle zusammen
verloren. Ich halte nichts von Schuldzuweisungen." Nahles und Gabriel
sprachen sich dafür aus, dass der gescheiterte Spitzenkandidat Frank-Walter
Steinmeier am Dienstag zum neuen SPD-Fraktionschef gewählt werden soll.
Gabriel forderte die SPD auf, ihre Politik sozialer und ökologischer
auszurichten.