"Star Wars"
Strahlenkanone für US-Militär
03.09.2007
Die Waffe tötet nicht und lähmt nicht. Aber die US-Armee befürchtet, dass sie als Folterinstrument mißverstanden wird.
Es klingt wie eine Szene aus "Krieg der Sterne": Sicherheitskräfte bringen mit einem Energiestrahl Randalierer unter Kontrolle, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. Eine solche Waffe könnte den US-Soldaten im Irak helfen, das Leben von Zivilpersonen zu schützen. Und sie existiert bereits: In den vergangenen zehn Jahren entwickelte das amerikanische Verteidigungsministerium eine Strahlenkanone, die weder tötet noch lähmt.
Unsichtbare Strahlen
Das sogenannte Active Denial System, das
auf einem Geländewagen montiert wird, verschießt unsichtbare Strahlen. Diese
dringen knapp unter die Haut ein und geben den Getroffenen das Gefühl zu
brennen. Wenn sie jedoch zur Seite gehen, vergeht der Schmerz, Verletzungen
bleiben nicht zurück. Das Pentagon zögert allerdings mit dem Einsatz der
Waffe, weil es befürchtet, sie könnte als Folterinstrument betrachtet
werden.
Könnte Tragödien verhindern
Das System hätte
möglicherweise eine Tragödie wie wenige Wochen nach dem Sturz von Saddam
Hussein in Falluja verhindern können. Bei einer der ersten großen
Demonstrationen gegen die US-Besatzung fielen plötzlich Schüsse. 18 Iraker
kamen ums Leben, weitere 78 wurden verletzt. Ähnliche Szenen wiederholten
sich in den folgenden Jahren immer wieder: Menschen versammeln sich,
Aufständische mischen sich unter die Zivilpersonen. Soldaten schießen, und
Unschuldige sterben.
Wissenschaftler von Strahlenkanone überzeugt
Zwei Tage nach
dem Zwischenfall in Falluja, am 30. April 2003, schrieb der damalige
Topwissenschaftler bei der Weltraumbefehlszentrale der Luftwaffe in
Colorado, Gene McCall, an den Generalstabschef Richard Myers in einer
E-Mail: "Ich bin überzeugt, dass die Tragödie in Falluja nicht passiert
wäre, wenn es dort ein Active Denial System gegeben hätte."
Dem System müsse umgehend Priorität eingeräumt werden. McCall ging im
November 2003 in Rente, er ist jedoch weiterhin von der Waffe überzeugt. "Wie
das gehandhabt wurde, ist ein nationaler Skandal", sagte er der
Nachrichtenagentur AP.
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Führende Militärs wollen diese Waffe
Wenige Monate
nach McCalls E-Mail reichte Brigadegeneral Richard Natonski, der gerade aus
dem Irak zurückgekehrt war, eine dringende Bitte um die Waffe in Washington
ein. Das System würde den "CNN-Effekt" minimieren, schrieb
er: die Verbreitung von Bildern, in denen US-Soldaten als Aggressoren zu
sehen sind. Ein Jahr später bat Natonski, inzwischen zum Generalmajor
befördert, erneut um die Waffe, die besonders in städtischen Bereichen "dringend
gebraucht" werde. Ähnliche Anfragen von anderen ranghohen Offizieren im
Irak folgten.
Könnte als Folterinstrument mißverstanden werden
Der
Hauptgrund, warum die Strahlenkanone weiterhin nicht zum Einsatz kommt, ist
ihr Bild in der Öffentlichkeit. Die Erinnerungen an den Skandal von Abu
Ghraib 2004 sind noch frisch, und das Pentagon zögert, den Soldaten eine
hochmoderne Waffe zur Verfügung zu stellen, die als Folterinstrument
missverstanden werden könnte. "Wir wollen sicherstellen, dass alle
Bedingungen richtig sind, damit das System wie erwartet funktioniert, wenn
es einsatzbereit ist", betont der Leiter der Abteilung für
Nichttödliche Waffen im US-Verteidigungsministerium, Oberst Kirk Hymes. Die
Anwälte des Ministeriums haben bereits grünes Licht für die Einsätze im Irak
und in Afghanistan gegeben, wie aus einem Dokument vom 15. November
hervorgeht.
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Menschenrechtsorganisationen zeigen sich dennoch besorgt und verweisen darauf, dass die Angaben des Pentagons nicht zu überprüfen sind, weil die entsprechenden Dokumente als geheim eingestuft wurden. Eine solche neue Waffe müsse eingehend geprüft werden, sagt Stephen Goose von der Organisation Human Rights Watch in Washington. Ein weiteres Thema sind die Kosten. Das Pentagon hat in den vergangenen zehn Jahren 62 Millionen Dollar (45,5 Millionen Euro) in die Entwicklung des Systems investiert - ein geringer Betrag im Vergleich zu anderen Militärprogrammen. Aus Kreisen des Ministeriums verlautete, die Waffe sei zu teuer. Allerdings wollte sich niemand dazu äußern, wie viel die Produktion eigentlich kostet.
Energie-Strahl, nicht Laser oder Mikrowelle
Das Active Denial
System arbeitet mit einem Energie-Strahl, nicht mit Laser oder Mikrowellen.
Mit Hilfe einer Antenne können die Strahlen bis zu 500 Meter weit übertragen
werden und durchdringen auch Kleidung und Fensterscheiben. Auf diese Weise
könnten Soldaten aus sicherer Entfernung von Brandsätzen und Steinwürfen
operieren, ohne Unbeteiligte zu gefährden. In zwölf Jahren wurden bei Tests
nach Angaben der Streitkräfte nur zwei Mal Menschen verletzt, beide erlitten
Verbrennungen zweiten Grades.