Die Opposition warnt jedoch vor Protesten zu einem späteren Zeitpunkt und fordert Neuwahlen und eine Regierung der nationalen Einheit.
Die von der Hisbollah geführte Opposition im Libanon hat nach Angaben eines Sprechers am Dienstagabend ein vorläufiges Ende des Generalstreiks und der Straßenblockaden beschlossen. Der Sprecher, der anonym bleiben wollte, sagte, der Streik habe die gewünschte Wirkung erzielt. Er sei als Warnung an die Regierung gedacht gewesen. Der Sprecher warnte jedoch vor weiteren Protesten zu einem späteren Zeitpunkt. Laut der Nachrichtenagentur Reuters wurden bereits erste Barrikaden abgebaut.
Demonstranten hatten in Beirut am Dienstag auf den Ausfallstraßen Barrikaden aus brennenden Autoreifen errichtet. Über der Metropole stiegen schwarze Rauchsäulen auf. Über ein Dutzend Menschen wurden bei Schießereien verletzt, rund fünfzig weitere bei Handgreiflichkeiten zwischen Oppositionellen und Regierungsanhängern. Sicherheitskräfte gaben Warnschüsse ab, um Steinewerfer auf Distanz zu halten.
Opposition fordert neue Regierung
Das öffentliche Leben kam
fast völlig zum Erliegen. "Diese Regierung versteht nur die
Sprache der Gewalt. Die Lektion, die wir ihr heute erteilen, ist lediglich
eine kleine", sagte der Demonstrant Jamil Wahb. Vermummte Anhänger der
schiitischen Hisbollah patrouillierten in der Hauptstadt, die meisten
Geschäfte und Schulen blieben geschlossen. Die Opposition, angeführt von der
Hisbollah und der christlichen "Freien Patriotischen Bewegung"
(CPL) von General Michel Aoun, hatten zum Generalstreik aufgerufen, um ihre
seit Anfang Dezember anhaltenden Proteste auszuweiten. Sie verlangen ebenso
wie der als früherer Gefolgsmann Syriens umstrittene christliche
Staatspräsident Michel Aoun die Bildung einer Regierung der nationalen
Einheit und vorgezogene Wahlen. Das Ausscheiden aller Schiiten aus der
Regierung des Sunniten Fouad Siniora im Vorjahr hatte zur Folge, dass diese
in ihrer Zusammensetzung nicht mehr verfassungskonform ist.
Der Konflikt gefährdet den Wiederaufbau des Landes nach dem 34-Tage-Krieg vom vergangenen Sommer. Die bereits 1978 nach dem ersten israelischen Libanon-Einmarsch gebildete UNO-Truppe UNIFIL ("United Nations Interim Force in Lebanon") war durch Beschluss des Weltsicherheitsrates auf 11.000 Soldaten aufgestockt worden. Im Februar soll der italienische General Claudio Graziano als Oberkommandierender den französischen General Alain Pellegrini ablösen.
Zahlreiche Verletzte bei Schießereien
In der Küstenstadt
Byblos (Jbeil) schoss ein Bewaffneter nach Angaben von Einsatzkräften auf
Demonstranten, drei Menschen wurden verwundet. Bei einem ähnlichen
Zwischenfall in Batroun wurden zwei Menschen verletzt. Ein Oppositioneller
wurde in dem Bergdorf Sofar durch einen Kopfschuss schwer verletzt. Sechs
Anhänger der Opposition erlitten bei einer Schießerei zwischen Mitgliedern
der Mehrheitskoalition Sinioras und Aktivisten der kleinen (für den
Anschluss an Syrien eintretenden) Syrischen Nationalsozialistischen Partei
im Nordlibanon Verletzungen.
Blockiert wurden auch Schnellstraßen, die den Norden mit dem Süden des Landes verbinden. Zudem wurde die Fernstraße in die syrische Hauptstadt Damaskus von Oppositionellen besetzt. Mehrere Fluggesellschaften setzten ihre Flüge nach Beirut aus. Die Proteste sollten nach Angaben von Oppositionskreisen mehrere Tage dauern. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah rief seine Anhänger auf, sich auf weitere Aktionen vorzubereiten. Die Regierung hat die Forderungen der Opposition zurückgewiesen. Der von den USA und der EU unterstützte Regierungschef hatte an die Libanesen appelliert, den Streikaufruf nicht zu befolgen. Die von Syrien und dem Iran unterstützte Opposition wolle damit die wichtige Geberkonferenz in Paris "sabotieren", die am Donnerstag stattfindet.
Pariser Konferenz am Donnerstag
Als ehemalige Mandatsmacht hat
Frankreich die libanesischen Parteien aufgerufen, mit "verantwortungsbewusstem
Verhalten" die internationale Geberkonferenz nicht zu gefährden. Die
geplanten Finanzhilfen seien nicht für die Regierung von Premierminister
Fouad Siniora bestimmt, sondern für das Land, erklärte das Außenministerium
in Paris. Siniora soll am Mittwoch von Staatspräsident Jacques Chirac
empfangen werden. Der Premier will einen Plan zur Finanzsanierung vorlegen.
Der Plan werde von der internationalen Gemeinschaft "positiv aufgenommen",
unterstrich das französische Ministerium.