Deutschland
Streit über Abschuss gekaperter Zivilflieger
19.09.2007
CDU-Verteidigungsminister Jung will klare Regeln für den Fall, dass Terroristen einen Zivilmaschine entführen. Zur Not will er den Schießbefehl anordnen. Dafür hagelt es Kritik von Koalitionspartner SPD.
Der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung fordert eine Regelung für den Fall eines Terror-Angriffs mit einem entführten Flugzeug. Im Bundestag sagte der CDU-Minister am Mittwoch, eine verfassungsrechtliche Klarstellung sei nötig. Davor hatte Jung gemeint, in einem "übergesetzlichen Notstand" wie diesem würde er den Schießbefehl anordnen.
Jung will keine offenen Fragen
Der Ressortchef sprach von "tragischsten
und schwierigsten Entscheidungen" in einem solchen Fall. Die damit
verbundenen Fragen dürften aber nicht offen bleiben. Das
Bundesverfassungsgericht habe in seinem früheren Urteil keine abschließende
Entscheidung getroffen. Es habe nur das Gesetz zurückgewiesen, das die
rot-grüne Mehrheit damals für einen solchen Fall beschlossen hatte. Also
brauche es eine verfassungsrechtliche Klarstellung für einen möglichen
Abschussbefehl. Die Soldaten müssten sich darauf verlassen können, dass es
für die ihnen erteilten Befehle eine rechtliche Grundlage gebe.
SPD will interne Aussprache
Die Sache wird immer mehr zum
Zankapfel der deutschen großen Koalition. SPD-Vizekanzler Franz Müntefering
warf Jung vor, eine "Demarkationslinie" überschritten zu haben. Er
forderte eine interne Aussprache in der Koalition: "Das geht so nicht.
Darüber muss intern gesprochen werden", so Müntefering. Der
SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold rief die Union auf, das zu regeln,
was geregelt werden kann. Über den "übergesetzlichen Notstand",
der laut Jung einen Abschuss rechtfertigen könnte, dürfe nicht im Vorfeld
eines möglichen Abschussbefehls diskutiert werden, sondern allenfalls
danach.
Grüne wollen Jungs Rücktritt
Bei den Grünen wurden
erneut Rücktrittsforderungen an Jung laut: "Quittieren Sie ihr Amt",
sagte Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele. FDP-Chef Guido Westerwelle
kritisierte die Uneinigkeit der Koalition. "Die Mehrheit des
Bundestages steht nicht hinter den Aussagen des Verteidigungsministers."
Schäuble bastelt an neuem Plan
Unterdessen sorgen
Vorschläge von CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble, mit einer
Grundgesetzänderung den Abschuss entführter Passagierflugzeuge zu
ermöglichen, für neuen Zwist. Schäuble wolle durch eine Ergänzung des
Artikels zu den Aufgaben der Streitkräfte einen Bundeswehreinsatz "in
ganz außerordentlichen Extremsituationen" ermöglichen, berichtete
die "Passauer Neuen Presse". Das beziehe den Abschuss von
Passagiermaschinen mit ein, "auch dann, wenn Tatunbeteiligte
mitbetroffen wären".