Misstrauensvotum
Tschechische Regierung gestürzt
24.03.2009
Zur Halbzeit des EU-Vorsitzes hat das Parlament das Kabinett Topolanek aus dem Amt gejagt - Im fünften Anlauf ist dem Sozialdemokraten Paroubek der Coup gelungen.
Die Prager Regierung des konservativen Premiers Mirek Topolanek (ODS) sorgte für ein Unikat: Sie wurde fast pünktlich zur Halbzeit des ersten tschechischen EU-Vorsitzes gestürzt. Der Chef der oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) Jiri Paroubek hatte den Fall des Kabinetts so lange angestrebt, bis es ihm gelungen ist - im fünften Versuch seit dem Antritt von Topolanek Kabinetts Anfang 2007.
Zum Fallen verurteilt
Von Anfang an befand sich Topolanek in
einer schwierigen Situation. Seine Regierung verfügte wegen der Pattstellung
nach der Parlamentswahl 2006 nie über die Mehrheit im Parlament und wurde
ausschließlich mit der Unterstützung einiger parteiloser "Überläufer" von
der CSSD am Leben gehalten. Die CSSD sah darin einen "Stimmenkauf", das
Ergebnis einer "Erpressung" und "Korruption" seitens der ODS. Einer der
"Überläufer", Petr Wolf, wurde Topolanek nun zum Verhängnis.
Intervention beim TV
Der Anstoß zu der fünften
Misstrauensabstimmung kam nämlich, nachdem ans Licht gekommen war, dass
Topolanek durch seinen umstrittenen Freund und Lobbyist Marek Dalik versucht
hatte, die Ausstrahlung einer TV-Reportage über Wolf zu stoppen. Wolf wird
seit Monaten verdächtigt, eine Förderung der Regierung in Millionen-Höhe bei
der Erstellung einer Umwelt-Studie missbraucht zu haben. Topolanek stellte
seine Intervention als Hilfeleistung für den TV-Redakteur dar, der die
Reportage vorbereitet hatte. Das öffentlich-rechtliche Tschechische
Fernsehen strahlte die Reportage trotzdem aus.
"Das Fass ist voll"
Topolaneks Invention war offenbar
zu viel für einige Unzufriedene, die es in der Koalition seit Monaten gibt.
Bisher haben sie Topolanek nur kritisiert, bei den früheren
Misstrauensabstimmungen das Kabinett aber schließlich indirekt doch
unterstützt, indem sie abwesend waren oder sich der Stimme enthielten. "Das
Fass ist diesmal schon voll", betonte der ODS-Rebelle Vlastimil Tlusty.
Dieser hatte auch einen persönlichen Grund sich bei Topolanek zu rächen.
Tlusty wollte auch in der zweiten Regierung Topolaneks Finanzminister
werden, allerdings überließ Topolanek diesen Posten den Christdemokraten
(KDU-CSL), was Tlusty nicht verdauen konnte.
Schwächer durch Grünen-Streit
Auch bei den
mitregierenden Grünen des Vizepremiers und Umweltministers Martin Bursik
schwelte seit längerem ein Aufstand, der kürzlich mit dem Parteiausschluss
von mehreren prominenten Mitgliedern, darunter zwei Parlamentsabgeordneten
und der einstigen Anti-Temelin-Kämpferin Dana Kuchtova, den Höhepunkt
erreicht hat. Beide ausgeschlossene Abgeordnete traten mittlerweile einer
neuen Partei, der "Demokratischen Partei der Grünen", bei und fühlten sich
einfach nicht mehr gebunden, die Regierung zu unterstützen.
Die Koalitions-Rebellen hielten die politische Szene am Dienstag bis zur letzten Sekunde in Atem. Erst im Parlament erklärten sie, wie sie sich zu dem Misstrauensantrag stellen werden. Als dann die Formel "für den Vorschlag" in dem Abgeordnetenhaus zum 101. Mal erklang, waren die Tage des Kabinetts gezählt.
Bestätigung für Vaclav Klaus
Eine innerliche Genugtuung
könnte vielleicht Staatspräsident Vaclav Klaus über das Ende von Topolaneks
Regierung fühlen. Auf dem ODS-Kongress im Dezember 2008 wünschte Klaus, der
die Partei 1991 gegründet hatte, einen anderen Mann an der Parteispitze -
den Prager Oberbürgermeister Pavel Bem. Dieser konnte sich aber gegen
Topolanek nicht durchsetzen. Die ODS hatte laut Klaus begonnen, andere Ziele
zu verfolgen als jene, wegen derer er die Partei ins Leben gerufen hatte. So
verzichtete Klaus auf den Titel des Ehrenvorsitzenden und beendete
schließlich auch seine ODS-Mitgliedschaft.