Die Beziehungen zwischen der Türkei und Zypern sollen gekittet werden. So erwartet man sich in Ankara einen großen Schritt in Richtung EU.
Ahmet Davutoglu ist ein vielbeschäftigter Mann. Innerhalb weniger Wochen hat der türkische Außenminister gleich an mehreren Fronten diplomatisches Neuland betreten. Er hat eine Grundsatzvereinbarung zur Aussöhnung mit Armenien unterschrieben, an der ersten gemeinsamen türkisch-syrischen Kabinettssitzung in Damaskus teilgenommen, mit der Unterzeichnung von fast 50 Vereinbarungen in Bagdad die Beziehungen zum Irak vorangebracht und bei einem Besuch in Teheran mit dem Nachbarn Iran über eine engere Zusammenarbeit gesprochen. Und nun? "Jetzt ist Zypern an der Reihe", berichten die türkischen Zeitungen. Davutoglu fordert eine Lösung für die geteilte Mittelmeerinsel - nicht zuletzt, um die türkischen EU-Chancen zu verbessern.
Vor zwei Wochen ließ Davutoglu knapp 40 türkische Botschafter nach Ankara einfliegen. In einem zweitägigen "Brainstorming" entwickelten die Diplomaten neue Ideen zur Lösung des Zypern-Konflikts, wie das Außenamt anschließend mitteilte. Kurz darauf war der türkisch-zypriotische Volksgruppenführer Mehmet Ali Talat in Ankara zu Gast, wo er auf die neue Linie eingeschworen wurde.
Amerikaner ins Boot
In dieser Woche wendet sich Ankara ans
Ausland. Am Donnerstag wird der britische Außenminister David Miliband zu
Gesprächen über Zypern in der türkischen Hauptstadt erwartet. Gleichzeitig
jettet der türkische EU-Minister Egemen Bagis nach Athen, und
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will eine Begegnung mit US-Präsident
Barack Obama in Washington am kommenden Wochenende nutzen, um die
Amerikaner ins Boot zu holen.
Inhaltlich ruht die türkische Initiative offenbar auf zwei Säulen. Zum einen will Ankara die seit mehr als einem Jahr laufenden, aber trotz fast 50 Verhandlungsrunden bisher ergebnislosen Friedensgespräche zwischen Talat und dem griechisch-zypriotischen Präsidenten Demetris Christofias voranbringen. Talat soll in sensiblen Fragen einer möglichen Wiedervereinigung wie der Machtbalance zwischen griechischer Mehrheit und türkischer Minderheit in einem wiedervereinigten Zypern mehr Flexibilität zeigen, wie türkische Medien melden.
"Frieden erzwingen"
Der zweite Aspekt ist
außenpolitischer Natur. Laut bisher unbestätigten Berichten sucht Ankara
nach einem Weg, um den Zypern-Streit mit der EU aus der Welt zu schaffen.
Brüssel hat acht Verhandlungskapitel der ohnehin schwierigen türkischen
Beitrittsgespräche auf Eis gelegt, weil die Türkei ihre Häfen nicht für
Schiffe aus der zur EU gehörenden griechisch-zypriotischen Republik öffnen
will. Davutoglu will die EU nun offenbar dazu bewegen, das Handelsembargo
gegen den türkischen Inselsektor zumindest etwas zu lockern. Ist dies
geschehen, könnten erste türkische Häfen für die griechischen Zyprioten
geöffnet werden.
Davutoglu hat es unter anderem deshalb eilig, weil er Talat als Garant einer Lösung ansieht - doch der als Reformer geltende Volksgruppenführer muss laut Umfragen bei den Präsidentenwahlen im türkischen Inselteil im kommenden April um seinen Posten fürchten. Zudem argwöhnt die Türkei, dass die griechisch-zypriotische Seite auf Zeit spielt: Ohne Lösung auf Zypern kommt die Türkei bei ihrem EU-Prozess auf Dauer nicht voran und könnte deshalb zu immer neuen Zugeständnissen gezwungen werden.
Diese Taktik will Davutoglu durch eine flexible türkische Haltung durchkreuzen. Die Türkei wolle auf Zypern "den Frieden erzwingen", soll der Außenminister kürzlich im Kabinett von Ankara gesagt haben. Dahinter steht das Ziel des Ministers, in den Beziehungen der Türkei zu allen Nachbarn einen Zustand von "Null Problemen" herzustellen. Nur dann könne das Land seinen Traum verwirklichen, zu einer regionalen Führungsmacht aufzusteigen, glaubt Davutoglu. Nach seinen diplomatischen Erfolgen im Süden und Osten der türkischen Grenzen wird Zypern nun zur Bewährungsprobe dieser Vision.