Erneut kam es zu 15 Toten im Westen des Landes, während die Verhandlungen laufen. Die Vergewaltigungen in Flüchtlingslagern nehmen zu.
Trotz der Vermittlungsbemühungen in Kenia zwischen dem Lager von Präsident Kibaki und der Opposition dauern die blutigen Unruhen vor allem im Westen des afrikanischen Landes weiter an. Rivalisierende ethnische Gruppen liefern sich in der Region am Ostafrikanischen Grabenbruch anhaltende Kämpfe. Die Unruhen griffen erstmals auch auf Nakuru über, die Hauptstadt der Provinz Rift Valley.
Beinahe ganze Ortschaft niedergebrannt
Nach Angaben des Roten
Kreuzes vom Freitag wurde in Provinz fast eine ganze Ortschaft
niedergebrannt. In dem Ort mit dem Namen Total Station wurden bei dem
Überfall mindestens fünf Bewohner getötet und rund 50 verletzt, wie der
Generalsekretär des Kenianischen Roten Kreuzes, Abbas Gullet, mitteilte. Die
Angreifer waren mit Keulen und Macheten bewaffnet. Bis zu 3.000 Einwohner
wurden obdachlos.
"Spirale der Gewalt außer Kontrolle"
Gullet zeigte
Filmaufnahmen von Menschen, die in eine Moschee und auf eine Polizeiwache
flohen. "Die Spirale von Angriffen und Vergeltungsakten gerät außer
Kontrolle", sagte der Rotkreuz-Vertreter. In der Umgebung von Molo, 160
Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Nairobi, seien in den vergangenen
Tagen bis zu 50.000 Menschen geflohen. An den Kämpfen in Rift Valley sind
vor allem Angehörige der Kikuyu, denen Kibaki angehört, und der Kalenjin
beteiligt, die Oppositionsführer Raila Odinga unterstützen.
In der mit 300.000 Einwohnern viertgrößten kenianischen Stadt Nakuru patrouillierten am Freitag Soldaten gemeinsam mit Polizisten durch die Straßen. Bei Kämpfen im Westen der Provinzhauptstadt wurden nach Berichten von Reportern Dutzende Menschen getötet oder verletzt. Die Polizei versuchte vergeblich, in Gesprächen mit Gewalttätern und später mit Schüssen in die Luft die Lage zu beruhigen. Sie verhängte eine nächtliche Ausgangssperre über Nakuru. Insgesamt kamen in Rift Valley innerhalb von 24 Stunden 15 Menschen um.
800 Tote, 250.000 Vertriebene
Insgesamt wurden bei den Kämpfen in
Kenia seit der umstrittenen Präsidentenwahl rund 800 Kenianer getötet. Etwa
250.000 Menschen flohen aus ihren Wohnorten.
UNICEF alarmiert: "Zahl der Vergewaltigungen nimmt zu"
Seit
Beginn der Unruhen wegen der umstrittenen Wiederwahl Kibakis am 27. Dezember
werden immer häufiger Kinder und Frauen in den überfüllten Flüchtlingslagern
zu Opfern sexueller Gewalt. "Die Zahl der Vergewaltigung nimmt zu", erklärte
am Freitag eine Sprecherin des UNO-Kinderhilfswerks (UNICEF) vor
Journalisten. Frauen oder Kinder würden beispielsweise nachts beim Gang auf
die Latrinen vergewaltigt. In anderen Fällen seien Frauen und Mädchen
gezwungen, sexuelle Handlungen im Austausch für Schutz oder Transport
anzubieten. Konkrete Zahlen seien schwer zu bekommen, da die Opfer viele
Fälle sexueller Gewalt aus Scham gar nicht meldeten, erklärte die
UNICEF-Sprecherin weiter. Einheimische Menschenrechtsorganisationen gingen
aber davon aus, dass sich die zahl sexueller Gewaltverbrechen seit der
Präsidentenwahl verdoppelt habe.
Annan startete Vermittlungsversuch
In Nairobi konnte der
ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan die beiden Kontrahenten am
Donnerstag zu einem ersten direkten Treffen an einen Tisch bringen. Dabei
brachte Kibaki die Opposition jedoch mit der Forderung weiter gegen sich
auf, dass über seine Position als Staatsoberhaupt nicht verhandelt werden
könne. Annan sprach am Freitag mit Wahlkommissionsleiter Samuel Kivuitu, dem
früheren Staatschef Daniel arap Moi und der kenianischen
Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai.
Opposition will Kibaki nicht bei der Afrikanischen Union sehen
Odingas
Partei ODM (Orange Democratic Movement) forderte am Freitag, dass es Kibaki
nicht erlaubt sein sollte, in der kommenden Woche eine Delegation zum
Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) nach Äthiopien zu entsenden.
Odinga warnte die AU, Kibaki beim Gipfel als Staatschef anzuerkennen. Dies
würde einen "sehr schlechten Präzedenzfall" schaffen, sagte er.
EU droht mit Entzug der Entwicklungshilfe
Die EU-Außenminister
wollen für den Fall eines Andauerns der Krise am Montag ihren Druck auf die
Konfliktparteien in Kenia erhöhen und offiziell mit dem Aussetzen ihrer
Hilfen drohen. In einem Erklärungsentwurf der 27 EU-Außenminister, der am
Montag veröffentlicht werden soll und der Nachrichtenagentur AFP vorlag,
wird gewarnt, "ein Scheitern, eine dauerhafte und einvernehmliche politische
Lösung zu finden, würde den Einsatz der Kenia-Geberstaaten und die
Beziehungen zwischen der EU und Kenia belasten".