Nach Spesenskandal
Unterhaus-Präsident in GB tritt zurück
19.05.2009
Mehrere Abgeordnete hatten Michael Martin den Rücktritt nahegelegt. Seit Tagen werden Politiker des britischen Unterhauses wegen des Missbrauchs von Steuergeldern kritisiert.
Erstmals seit mehr als 300 Jahren tritt in Großbritannien ein Parlamentspräsident auf Druck der Abgeordneten zurück. Im Skandal um Spesenmissbrauch von Politikern kündigte der angeschlagene "Speaker" des Unterhauses, Michael Martin, sein Ausscheiden aus der Spitze des Unterhauses zum 21. Juni an. Er lege sein Amt nieder, um wieder Einigkeit im Parlament zu schaffen, sagte Martin am Dienstag vor den Abgeordneten in London.
Rücktritt nahegelegt
Am 22. Juni soll ein neuer "Speaker"
gewählt werden. Am Montag hatten mehrere Abgeordnete Martin in der Sitzung
des Unterhauses einen Rücktritt nahegelegt. Premierminister Gordon Brown
kündigte unterdessen eine neue Spesenordnung für Abgeordnete an.
Parlamentspräsident Martin war in den vergangenen Tagen wegen seiner Rolle im Spesenskandal schwer unter Beschuss geraten. Gegen ihn lag auch ein Misstrauensantrag vor. Als langjährigem Parlamentspräsidenten war ihm eine Mitschuld dafür gegeben worden, dass das Spesensystem aus dem Ruder gelaufen ist. Martin hatte sich in der Vergangenheit mehrfach Versuchen widersetzt, das System transparenter zu machen.
Seit Tagen unter Beschuss
Seit Tagen stehen britische
Unterhaus-Politiker aller Parteien wegen eines Missbrauchs von Steuergeldern
am Pranger, weil sie im Zusammenhang mit ihren Zweitwohnungen dubiose und
teils betrügerische Spesen und Ausgaben abgerechnet hatten.
Die künftige Spesenordnung werde "wesentliche Veränderungen" aufweisen, sagte Regierungschef Brown. Wer bei der Labour-Partei gegen die Regeln verstoßen habe, könne weder für die nächste Parlamentswahl kandidieren noch Mitglied seines Kabinetts sein, stellte Brown mit Blick auf eine anstehende Prüfung klar.
Bei der Öffentlichkeit entschuldigt
Parlamentspräsident
Martin hatte sich am Montag noch bei der Öffentlichkeit offiziell für den
Spesenskandal entschuldigt. Die Menschen im Vereinigten Königreich seien vom
britischen Unterhaus im Stich gelassen worden, das bedauere er zutiefst,
sagte er. Dabei hatte Martin keine Angaben über seine eigene Zukunft
gemacht. Stattdessen hatte er angekündigt, sich mit den Spitzen aller
Parteien zu einem Krisengipfel über das Spesengebaren der Parlamentarier
treffen zu wollen.
Prominentestes Opfer des Skandals
Martin ist bisher das
prominenteste Opfer des Skandals. Bisher legte ein Justiz-Staatssekretär
sein Amt nieder, zwei Abgeordnete der regierenden Labour-Partei wurden aus
ihrer Fraktion ausgeschlossen, ein Abgeordneter der oppositionellen
Konservativen stellte seine Arbeit für Parteichef David Cameron ein.
Cameron hatte wegen des Skandals mehrfach auf vorgezogene Neuwahlen gepocht. Spätestens Mitte 2010 muss in Großbritannien ein neues Parlament gewählt werden, der Premierminister kann den Termin aber auch vorziehen.
Mehrere Politiker der regierenden Labour-Partei und der konservativen Opposition waren in jüngster Zeit wegen unzulässiger Spesenabrechnungen in die Kritik geraten. Die Parlamentarier setzten unter anderem bereits abgezahlte Hypothekenzinsen, aber auch Ausgaben für Tennisplatzpflege und Hundefutter auf die Spesenrechnung oder machten unglaubwürdige Angaben zu ihren Wohnsitzen.