Irak
US-Militärführung gegen schnellen Abzug aus Irak
08.04.2008
Die US-Militärs erteilen einem schnellen Rückzug der Truppen as dem Irak eine klare Absage.
Die US-Militärführung im Irak hat von der Politik mehr Zeit gefordert und einem schnelleren Rückzug der Truppen eine Absage erteilt. Ab Juli solle eine 45-tägiges Moratorium beginnen, sagte der Kommandant der US-Truppen im Irak, General David Petraeus, am Dienstag vor dem Senat in Washington. Erst dann solle über die Möglichkeit eines weiteren Truppenabzugs befunden werden. Die Aufstockung der US-Truppenzahl im vergangenen Jahr habe den Irak stabilisiert, die Erfolge seien aber nicht unumkehrbar.
Die Demokraten im Senat kritisierten, der US-Einsatz habe sein Ziel verfehlt. Überschattet wurde die Senatsanhörung von neuen schweren Kämpfen in Bagdad.
Thema zurück im Wahlkampf
Der Irak-Krieg ist auch in den
US-Wahlkampf zurückgekehrt und die Fronten sind klar. Sollten die Demokratin
Hillary Clinton oder ihr Parteikollege Barack Obama ins Weiße Haus
einziehen, werden die USA ihre Truppen aller Voraussicht nach schneller aus
dem ölreichen Golfstaat abziehen als bisher geplant. Sollte der Republikaner
John McCain im November das Rennen um die Nachfolge seines Parteifreundes
George W. Bush machen, bleibt der zeitliche Horizont des Einsatzes auch im
sechsten Jahr nach Kriegsbeginn weit offen und die Armeeführung steuert den
Abzug nach eigener Einschätzung.
Iranischer Einfluss "größtes Problem"
Petraeus
bezeichnete den Einfluss des Irans als eines der größten Probleme. Der Iran
finanziere, trainiere, bewaffne und befehle schiitische Milizen im Irak und
destabilisiere durch diese "ruchlosen Aktivitäten" die
Sicherheit im Irak, sagte Petraeus. Dabei hatte er offenbar vor allem die
schiitische Mahdi-Miliz im Blick, die angeblich von Teheran unterstützt
wird. Über die militärische Kompetenz der irakischen Regierung äußerte sich
Petraeus skeptisch.
30.000 Soldaten zihen im Juli ab
Die im vergangen Frühling
zusätzlich ins Land geholten rund 30.000 Soldaten sollen wie geplant bis
Juli abziehen, dann soll die neue Situation 45 Tage lang gründlich geprüft
werden. Die eineinhalbmonatige Pause des Truppenabzugs ab Juli nannte er
eine "Periode der Konsolidierung und Bewertung". Wenn die
US-amerikanischen Truppen vorschnell abgezogen würden, könnten bisher
erzielte Fortschritte wieder gefährdet sein, sagte Petraeus. Dies würde
bedeuten, dass zur Zeit der Präsidentenwahl am 4. November noch bis zu
140.000 Soldaten im Irak stationiert sind. Derzeit sind es rund 158.000.
Vorwürfe gegen irakische Regierung
Die Demokraten im Senat
bekräftigten ihre Ablehnung des Einsatzes und warfen der Regierung in Bagdad
schwere Versäumnisse vor. Der demokratische Ausschussvorsitzende Carl Levin
sagte zum Auftakt der Anhörung: "Das vom US-Präsidenten genannte
Ziel der Truppenaufstockung, der irakischen Führung Handlungsspielraum für
politische Versöhnung zu schaffen, wurde nicht erreicht." Auch die
demokratischen Präsidentschaftsbewerber Barack Obama und Hillary Clinton
warfen Bagdad in TV-Interviews vor der Senatsanhörung vor, die Gelegenheit
für eine politische Stabilisierung des Landes zu verspielen. Der
republikanische Präsidentschaftsanwärter John McCain hingegen sagte, es gebe
im Irak noch viel zu tun, aber es gebe auch Anlass für Hoffnung und
Optimismus.
Petraeus und der US-Botschafter im Irak, Ryan Crocker, unterrichteten das Parlament zum ersten Mal seit sieben Monaten wieder über die Lage im Land. Es wurde erwartet, dass US-Präsident George W. Bush der Empfehlung der Generäle entsprechen wird.
Neue Drohungen
Aus dem Irak kamen unterdessen erneut Drohungen:
Der schiitische Geistliche Muktada Al Sadr drohte mit einer Beendigung der
vor sieben Monaten erklärten Waffenruhe seiner Mahdi-Miliz. Wenn die
irakische Regierung nicht in der Lage sei, die eigenen Bürger zu schützen,
müsse wieder zu den Waffen gegriffen werden. Außerdem forderte er erneut,
dass Bagdad einen Zeitplan für den Abzug der US-Truppen erstellen sollte.
Entwaffnung gefordert
In der Hochburg der Mahdi-Miliz in Bagdad,
dem Stadtteil Sadr City, flammten neue Kämpfe mit irakischen
Regierungstruppen auf. Sadr City war bereits in der vergangenen Woche
Schauplatz blutiger Gefechte. Die Regierung von Ministerpräsident Nuri
al-Maliki hat am 25. März eine Offensive gegen die Mahdi-Miliz gestartet und
ultimativ deren Entwaffnung gefordert. Bei den Kämpfen wurden nach Angaben
der irakischen Streitkräfte allein in Bagdad seit Mitte März 82
Aufständische, 36 Zivilpersonen und 37 Soldaten getötet. Bei einem
Bombenanschlag auf einen Kleinbus wurden nordöstlich von Bagdad mindestens
sechs Menschen getötet und zehn verletzt.
Die britische Zeitung "The Guardian" berichtete unterdessen, die USA und Großbritannien planten einen zeitlich unbegrenzten Einsatz im Irak. Das gehe ausdrücklich aus einem Vertragsentwurf hervor, der das mit Jahresende auslaufende UNO-Mandat für den Irak ersetzen solle, berichtete die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf einen Arbeitsbericht.