Holocaust-Affäre

Vatikan ortet gezielte Kampagne gegen den Papst

04.02.2009

Im Vatikan sieht man die Veröffentlichung des Williams-Interviews als "bewusst gestellte Falle". Der Papst gab keine weitere Erklärung zum Holocaust-Streit ab.

Zur Vollversion des Artikels
© Getty
Zur Vollversion des Artikels

Die Kritik am Papst reißt nicht ab. Zuletzt verlangte Angela Merkel eine deutliche Klarstellung des Papstes und auch kirchenintern werden die Rufe nach einer Korrektur des Papst-Beschlusses immer lauter. Religiöse Kreise in Rom sprechen nun von einer Falle die dem Papst gestellt wurde, wie der Spiegel online berichtet. Der schwedische TV-Sender, der das Skandal-Gespräch mit Williams geführt hatte, soll das Interview absichtlich drei Tage vor dem Papst-Beschluss zur Aufhebung der Exkommunizierung veröffentlich haben. Ziel des Senders soll es gewesen sein, dem Papst so stark wie möglich zu schaden, zumal die Aufhebung der Exkommunizierung bereits länger bekannt war.

Sender weist Vorwürfe zurück
Der für das Interview verantwortliche Journalist weist die Anschuldigungen, ein Komplott gegen den Papst eingeleitet zu haben, falsch und beklemmend. Der Sender hätte nichts von den Plänen des Papstes gewusst als das Interview entstand.

Kritik und Beistand aus Kirchenkreisen
Der Berliner Erzbischof, Georg Kardinal Sterzinsky, fordert eine Korrektur der Papst-Entscheidung zu Williamson. "Dass sie überprüft wird, das muss, glaube ich, sofort angekündigt werden. Dass es bei ihr bleiben könnte, der Eindruck darf nicht entstehen", sagte Sterzinsky auf Deutsche Welle TV. .

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller nahm Papst Benedikt XVI. hingegen in Schutz. Benedikt sei die Position von Williamson zum Völkermord der Nazis an sechs Millionen europäischen Juden persönlich nicht bekanntgewesen, sagte Müller am Mittwoch im Fernsehsender ARD. "Er selbst hat keinen Fehler gemacht und braucht sich nicht zu entschuldigen", sagte Müller.

Müntefering fordert Korrektur
Der deutsche SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat den Vatikan aufgefordert, die Aufhebung der Exkommunikation des britischen Bischofs und Holocaust-Leugners Richard Williamson rückgängig zu machen. "Ich halte die Rehabilitierung eines Bischofs, der den Holocaust leugnet, für inakzeptabel. Das ist ein schwerer, historischer Fehler, den die Kirche so schnell wie möglich korrigieren muss", sagte Müntefering der "Berliner Zeitung" (Donnerstag).

Papst gab bei Generalaudienz kein Kommentar zum Holocaust-Streit ab
Papst Benedikt XVI. hat auf seiner wöchentlichen Generalaudienz am Mittwoch keinen neuen Kommentar zum aktuellen Holocauststreit abgegeben. Einen Tag nach der Forderung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einer Klarstellung zur Holocaust-Leugnung durch den Briten Richard Williamson ging er nicht auf diese Frage ein. Die 1988 verhängte Exkommunikation von Williamson und drei anderen Bischöfen der von der katholischen Kirche abgespaltenen Piusbruderschaft (SSPX) war erst jüngst aufgehoben worden. Bereits am Dienstagabend hatte Vatikansprecher Federico Lombardi erklärt, die Verurteilung jeder Holocaust-Leugnung durch den Papst hätte "klarer nicht sein können".

Lob und Tadel für Angela Merkel
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat ausdrücklich gegrüßt, dass sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Debatte um die Aufhebung der Exkommunikation des Holocaust-Leugners Richard Williamson eingemischt hat. "Hochachtung und Anerkennung für die Bundeskanzlerin, dass sie sich in dieser diffizilen Angelegenheit zu Wort meldet", sagte der Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".

Georg Ratzinger hat seinen Bruder, Papst Benedikt XVI., gegen die anhaltend scharfe Kritik in Schutz genommen. Die öffentliche Kritik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel am Papst habe ihn persönlich enttäuscht. "Ich habe sie immer als vernünftige Frau gesehen. Aber vielleicht steht sie momentan auch unter Druck, dass sie sich jetzt so äußert, wie sie es vernünftigerweise nicht machen würde."

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel