Er hatte sich das Ende seiner Politlaufbahn sicher anders vorgestellt …
Joe Biden (81) saß am berühmten „Resolute“-Schreibtisch im Oval Office und erklärte, warum er als Demokraten-Kandidat zuletzt aufgegeben hatte. Die letzten Tage waren historisch, aber auch leicht bizarr. Am Sonntag noch verkündete Biden seine monumentale Entscheidung mit einer knappen, via sozialen Medien verbreiteten Stellungnahme. Er blieb so lange untergetaucht, bis wilde Gerüchte aufkamen, ob der zuletzt immer tattrigere Demokrat überhaupt noch am Leben sei …
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Bei der TV-Rede Mittwochabend kämpfte er um sein politisches Erbe – und wollte seiner De-facto-Nachfolgerin im Präsidentschaftswahlkampf, Kamala Harris (59), unter die Arme greifen. Besonders hart für Biden: Nur eine Amtszeit zu dienen, ist die größte Schmach jedes US-Präsidenten. So groß, dass Vorgänger Donald Trump (78) die Niederlage 2020 gleich gar nicht eingestehen wollte und jetzt nochmals antritt.
Biden als Patriot
Biden wollte sich als Patriot, ja fast Märtyrer präsentieren. Und seine Positionen gegen Trump einzementieren: „Die Verteidigung der Demokratie ist wichtiger als jeder Titel“, sagte er. Er schöpfe Kraft und finde Freude an „der Arbeit für das amerikanische Volk“, sagte der scheidende Präsident, der am 20. Jänner 2025 abtreten muss: „Aber bei dieser heiligen Aufgabe, unsere Union zu vervollkommnen, geht es nicht um mich. Es geht um euch! Eure Familien! Eure Zukunft!“
Biden, der sich nach dem senilen Debatten-Debakel drei Wochen lang trotzig an der sinkenden Kandidatur festhielt, erwähnte nun doch sein Versprechen, dass er schon 2020 formuliert hatte: „Ich habe entschieden, dass der beste Weg vorwärts die Übergabe der Fackel an eine neue Generation ist“, so Biden. So ließe sich die politisch gespaltene Nation am besten zusammenbringen.
"Die Macht liegt in euren Händen!"
Er feuerte auch auf Trump: In Amerika würden keine „Könige oder Diktatoren“ herrschen, hier habe das Volk das Sagen: „Die Macht liegt in euren Händen“, beschwor er die Zuschauer.
Biden versicherte, dass er sich die verbleibenden sechs Monate seiner Amtszeit auf seinen „Job als Präsident“ konzentrieren wolle. Er rasselte noch Punkte seiner Agenda herunter, die er noch zu Ende bringen wolle. Der Präsident: „Ich werde weiterhin die Kosten für hart arbeitende Familien senken und unsere Wirtschaft fördern, ich will unsere persönlichen Freiheiten und Bürgerrechte verteidigen – vom Wahlrecht bis hin zum Recht, freie Entscheidungen treffen zu können“.
"Weichenstellung für Jahrzehnte"
Er nahm sich einiges vor, sprach von „Weichenstellungen für Jahrzehnte“: Den Kampf gegen den Krebs wolle er fortführen, jenen gegen den Klimawandel. Kreml-Herrscher Wladimir Putin soll weiterhin die Stirn geboten, der Krieg in Gaza beendet werden. Er zog eine Erfolgsbilanz: Wie er die Pandemie beendete, die Wirtschaft ankurbelte, die Welt führte und Kosten für Bedürftige und Senioren senkte.
Harris lobte er als würdige Nachfolgerin, sie sei „hart, erfahren und fähig“.
Er wollte mit der Rede aber auch eine noch größere Niederlage verhindern: ein vorzeitiger Rücktritt – aus Gesundheitsgründen. Denn Trump und die Republikaner argumentieren seit Bidens Rückzug als Kandidat am Sonntag: Unfähig zur Kandidatur, könne er auch die Nation nicht mehr regieren, so der Tenor.
Wein, Pizza und Bier bei Watch-Party
Wie monumental die Momente in Washington D.C. gerade sind, zeigten Aufnahmen, als hunderte Mitarbeiter des Weißen Hauses fast wie bei einem Trauermarsch zu einer Watch-Party marschierten. Wenigstens gab es dort Wein, Bier und Pizza.
Es ist der Anfang vom Ende einer 50 Jahre langen politischen Karriere. Ob Bidens Erbe fortgeführt wird, bleibt unklar: Der Ausgang des neuen Duells Harris gegen Trump ist ungewiss.
Was aber auch erwartet wird: Biden dürfte man fortan wahrscheinlich nicht mehr so oft sehen.