Provokationen

Waffenruhe mit Ukraine: Polen zittert vor Russland-Angriff

Teilen

Polen sieht einer möglichen Waffenruhe in der Ukraine mit Besorgnis entgegen. 

Kreml-Chef Wladimir "Putin könnte gleich nach einer möglichen Unterzeichnung der Waffenruhe damit beginnen, Polen anzugreifen. Es geht um Propagandaaktionen, Einmischung in Wahlen, Sabotage", sagte der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im polnischen Parlament, Paweł Kowal, im APA-Interview. Schon jetzt sehe man an der Grenze zu Belarus und Russland "praktisch jeden Tag eine Provokation".

"Wir sind im Fadenkreuz von Putins Russland", sagte der frühere Staatssekretär im polnischen Außenministerium. Putin sei "besessen" von Polen, weil er dem Land die Schuld an der gescheiterten Unterwerfung der Ukraine gibt. Aus Sicht Putins sei es nämlich Polen gewesen, das den Westen nach der russischen Invasion mobilisiert habe. Den Russen sei es dann nicht gelungen, die ukrainische Hauptstadt Kiew einzunehmen. Neben Polen seien auch andere mitteleuropäische Staaten im Visier Putins, fügte der rechtsgerichtete Politiker hinzu.

USA wollen Zerfall Russlands verhindern

Kowal warnte davor, den aus Washington kommenden Äußerungen im Ukraine-Konflikt zu viel Bedeutung beizumessen. "Es ist wichtig zu verstehen, dass man zwischen Aussagen oder Tweets und der tatsächlichen Politik unterscheiden muss." Diesbezüglich verwies er auf das erklärte Interesse der USA an wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit der Ukraine. Eine solche sei nur möglich, wenn es auch "militärischen Schutz" gebe. Derzeit würden amerikanische Investoren sogar den Osten Polens als eine risikobehaftete Region ansehen.

Die USA wollten zugleich einen Zerfall Russlands verhindern. Schon in der Vergangenheit hätten sie dem Land in kritischen Situationen beigestanden, etwa nach der Revolution 1917 oder auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. In Washington befürchte man nämlich eine mögliche Destabilisierung, sollte Russland auseinanderfallen.

Kurswechsel in Deutschland wichtiger als EU-Aufrüstungspaket

Eindringlich sprach sich der frühere EU-Abgeordnete dafür aus, die europäische Verteidigung zu stärken. Polen investiere viel in seine Verteidigung, um andere europäische Staaten mit seinem Beispiel zu motivieren. Schon jetzt habe Polen die größte Armee der Europäischen Union und die drittgrößte der NATO (nach den USA und der Türkei). "Wir sind in der Lage, unsere Grenzen wirksam zu verteidigen", betonte der Parteifreund von Ministerpräsident Donald Tusk.

Viele amerikanische Politiker hätten Recht, wenn sie sagten, dass die Europäer in den vergangenen Jahrzehnten nicht genug für ihre Verteidigung ausgegeben hätten, sagte der Ex-Staatssekretär. Er sei sich auch nicht sicher, ob das jüngst von der EU-Kommission angekündigte 800 Milliarden Euro schwere Aufrüstungspaket ausreichend sei, fügte er auf eine entsprechende Frage hinzu. Wichtiger sei, dass Deutschland in den vergangenen Wochen eine Politikänderung beschlossen habe und nun mehr für Aufrüstung ausgeben wolle.

Russland bereits "in einem regulären Krieg" mit der EU

Russland sieht Kowal bereits jetzt "in einem regulären Krieg" mit der Europäischen Union, auch mit dem neutralen Österreich. "Russland ist aber nicht neutral. Die Russen sind in Europa aktiv und treten sehr entschlossen gegen unsere Länder auf, unseren Lebensstil, unsere Familien und Organisationen. Es ist naiv zu glauben, dass Russland ihre Werte respektieren würde", sagte er.

Im Ringen um das dänische Territorium Grönland positionierte sich Kowal klar an der Seite des EU-Partnerlandes. "Grönland ist ein Territorium Dänemarks, und Dänemark ist ein Teil der Europäischen Union", betonte er. Mit Blick auf die von den USA vorgebrachten Sicherheitserwägungen verwies der polnische Spitzenpolitiker auf die NATO. In deren Rahmen sei die Sicherheit des Atlantik zu erörtern.

Optimistisch äußerte sich Kowal, was die polnischen Präsidentenwahlen am 18. Mai betrifft. "Ich bin sicher, dass (Regierungskandidat) Rafal Trzaskowski siegen wird", sagte er. Dies würden alle Meinungsumfragen zeigen, und auch die Regierungsparteien seien in den Umfragen weiterhin vorne. Einen Zerfall der Koalition im Fall eines Sieges des Oppositionskandidaten Karol Nawrocki sieht der Parlamentarier nicht. Zwar sei zu erwarten, dass der Politiker der rechtskonservativen PiS (Recht und Gerechtigkeit) die Obstruktionspolitik des scheidenden Präsidenten Andrzej Duda fortsetzen würde, "aber das ist auch der Grund, warum die Menschen nicht für diesen Kandidaten stimmen werden".

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten