Die Opposition behauptet, dass der Premier nur seine eigenen Verurteilungen verhindern will.
Ein Gesetzentwurf zur Verkürzung von Gerichtsverfahren, die die Mitte-Rechts-Allianz um den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi dem Parlament vorgelegt hat, sorgt für heftigen politischen Streit in Rom. Der aus drei Artikeln bestehende Entwurf sieht vor, dass Prozesse in allen drei Instanzen insgesamt maximal sechs Jahre dauern dürfen. Ein Prozess soll bereits zwei Jahre nach Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens verjähren, wenn es um Vergehen geht, die mit maximal zehn Jahren Haft bestraft werden. Der Angeklagte kann sich gegen die Verjährung wehren, wenn er dem Gericht eine diesbezügliche schriftliche Mitteilung vorlegt.
Gilt nicht für Vorbestrafte
Die Verjährungsfristen gelten
nicht, wenn der Angeklagte vorbestraft ist und wenn es um Verbrechen geht,
die mit Mafia-Terrorismus, Immigration und Arbeitsunfälle verbunden sind.
Auch bei Pädophilie, Entführung, Menschenhandel und illegalem Mülltransport
gelten die verkürzten Verjährungsvorschriften nicht.
Kritik der Opposition
Die Opposition kritisiert den Entwurf
dagegen als verfassungswidrig. Die Senatorin der oppositionellen
Demokratischen Partei (PD), Anna Finocchiaro, warnte, dass auch brisante
Prozesse wie jene wegen der Pleite der Lebensmittelkonzerne Cirio und
Parmalat aufgrund der verkürzten Verjährungsfristen gestrichen werden
könnten. Die Oppositionspartei "Italien der Werte" kündigte eine
Unterschriftensammlung gegen das Gesetzprojekt an. Der Parteichef und
frühere Staatsanwalt Antonio Di Pietro kritisierte, es gehe Berlusconi
keinesfalls um die Verkürzung der Gerichtsverfahren. "Der Ministerpräsident
will nur seine eigenen Prozesse stoppen, bevor es zu einem Urteilsspruch
kommt", sagte Di Pietro.
Verheerende Folgen
Der Richterverband ANM warnte vor den
"verheerenden Folgen" des neuen Gesetzes auf das italienische Justizsystem.
Die Reform gleiche de facto einem Strafnachlass für viele Verbrechen wie
Amtsmissbrauch, Korruption und Betrug. Der ehemalige Präsident des
Verfassungsgerichts, Antonio Baldassarre, warnte, dass das neue Gesetz dem
Prinzip der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz widerspreche und daher
verfassungswidrig sei.
Prozess gegen Berlusconi
Berlusconi muss sich wieder vor Gericht
verantworten, nachdem das Verfassungsgericht ein für ihn maßgeschneidertes
Immunitätsgesetz am 3. Oktober für ungültig erklärt hatte. Die erste
Anhörung in Mailand ist für nächsten Montag anberaumt. Berlusconis Anwälte
wollen sich aber offenbar wegen Terminschwierigkeiten des Regierungschefs um
eine Vertagung bemühen. Berlusconi bestreitet die gegen ihn erhobenen
Vorwürfe und sieht sich als Opfer einer linkslastigen Staatsanwaltschaft.