Justiz
Wird die türkische Regierungspartei verboten?
28.07.2008
Das Verfassungsgericht berät über ein Verbot der AKP. Eine Entscheidung wird bis Mitte der Woche erwartet.
Das türkische Verfassungsgericht hat am Montag mit den Verhandlungen über ein Verbot der Regierungspartei AKP begonnen. Beobachter rechneten mit einer Entscheidung bis Mitte der Woche. Der Partei von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, offen und verdeckt die Islamisierung des weltlichen (laizistischen) Staates zu betreiben. Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalcinkaya hatte vor dem Prozess gesagt, es gebe "eine klare und gegenwärtige Gefahr, dass die AKP das (islamische) Scharia-Recht einführen möchte".
Streit um Trennung von Staat und Religion
Seit Monaten schwelt in
der Türkei eine schwere innenpolitische Krise. Die AKP auf der einen Seite
sowie Opposition und Armee auf der anderen streiten um die von
Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk verfügte Trennung von Staat und
Religion. Die Staatsanwaltschaft will neben einem Parteienverbot erreichen,
dass Erdogan, Präsident Abdullah Gül sowie 69 weitere AKP-Führungskräfte
sich nicht mehr politisch betätigen dürfen. Die elf Richter werden bis zu
einer Entscheidung täglich verhandeln. Sie haben drei Möglichkeiten: den
Fall abzulehnen, dem Antrag stattzugeben oder die staatliche
Finanzierungshilfe für die Partei zu streichen.
Erdogan forderte Aufhebung des Kopftuchverbotes
Der
Berichterstatter des Gerichts hatte vor zwei Wochen seinen Kollegen
empfohlen, die Partei nicht zu verbieten. Sie nutze lediglich die
Meinungsfreiheit. Die Staatsanwaltschaft stützt sich in ihrer Anklage in
erster Linie auf Äußerungen Erdogans. So hatte der Regierungschef gefordert,
das Kopftuch sowohl als religiöses als auch als politisches Symbol in den
Hochschulen zuzulassen. Im Februar 2008 fiel auf Initiative der AKP das
Kopftuchverbot, bis es vier Monate später vom Verfassungsgericht wieder
eingeführt wurde. Damit dürfen Frauen, die Kopftücher tragen, vorerst weiter
nicht Universitäten betreten.
Der Staatsanwalt wirft Erdogan außerdem vor, die türkischen Frauen am Weltfrauentag aufgefordert zu haben, mindestens drei Kinder zu bekommen. Zudem habe er angedeutet, im Zweifel auch eine Abspaltung des Kurdengebiets im Nordosten des Landes billigen zu wollen. AKP-Versuche, Alkoholkonsum nach islamischen Vorbild in der Öffentlichkeit zu verbieten, werden von der Staatsanwaltschaft ebenfalls genannt. Die AKP hatte in den Wahlen im vergangenen Jahr 47 Prozent der Stimmen geholt.