Rechtsruck in NL

Wie gefährlich ist Wilders für Europa?

10.06.2010

Geert Wilders Partei hat klar bei den Wahlen in Holland mächtig zugelegt.

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Jeden Tag bekamen Muslime in Holland zu hören, was Mitmenschen angeblich über ihre Religion denken: Eine "faschistische Ideologie" sei der Islam, sein Prophet "ein Barbar, ein Massenmörder und Pädophiler", predigte der große blonde Islamhasser Geert Wilders immer wieder. Doch fast schien es, als habe seine Platte einen Sprung bekommen. Als würden sich mehr und mehr Anhänger abwenden - weil es um das ganze Land und ums Sparen zur Bewältigung des Haushaltsdefizits ging. In der Nacht zum Donnerstag wurden die Niederländer - und mit ihnen ganz Europa - eines Besseren belehrt: Rechtspopulismus und Fremdenhass gedeihen unter den Bedingungen der Euro-Schuldenkrise offenbar prächtig.

15 Abgeordnetenmandate zusätzlich, insgesamt nun 24 statt vorher neun - so stark ist bei den niederländischen Parlamentswahlen keine andere Partei gewachsen. Selbst Mark Rutte, der Strahlemann der Rechtsliberalen, die sich in Fragen von Einwanderung und Immigration immerhin deutlich an Wilders angenähert hatten, schafften nur einen Zuwachs von neun Mandaten. Immerhin kam die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), die für den radikalsten Sparkurs von allen warb, auf insgesamt 31 Sitze. Stärkste Partei wurden die Rechtsliberalen aber nur mit einem Mandat mehr als die Sozialdemokraten, während die Christdemokraten 20 Sitze einbüßten und hinter Wilders landeten.

Komplizierte Regierungsbildung
Holland steht damit vor einer der kompliziertesten Regierungsbildungen seiner Nachkriegsgeschichte. Sie könnte sich über Monate hinziehen. Und dass in einer Zeit, da eigentlich rasche und einschneidende Maßnahmen zur Einsparung von rund 30 Milliarden Euro erforderlich sind, um den Staatshaushalt wieder auf Kurs zu bringen. Noch gehören die Niederlande klar zu den Staaten der Euro-Zone, die als Stützen der Gemeinschaftswährung gelten. Langwierige Verhandlungen über eine Koalition könnten dieses Bild trüben.

Rechnerisch wären mehrere Regierungen unter Führung des 43-jährigen Rutte möglich, an denen Wilders nicht beteiligt wäre. Die größte Basis hätte mit mehr als 80 Mandaten eine Koalition aus Rechtsliberalen, Sozial- und Christdemokraten. Und nicht wenige glauben, wie der prominente Autor Geert Mak, das Wilders "eigentlich gar nicht regieren will", sondern lieber weiter in der Opposition gegen die politischen Eliten wettern möchte.

Personal-Probleme
Zumal Wilders' Freiheitspartei (PVV) praktisch eine Ein-Mann-Organisation ist, die Schwierigkeiten haben dürfte, alle gewonnenen Mandate mit akzeptablen Leuten zu besetzen. Doch noch in der Wahlnacht betonte der umstrittene Schöpfer des hasserfüllten anti-islamischen Propagandafilms "Fitna", in dem der Koran als Handbuch für Terroristen verunglimpft wird: "Wir wollen regieren!"

Zugleich machte der clevere Taktiker klar, dass er ansonsten über beste Möglichkeiten verfügt, die anderen Parteien immer wieder vorzuführen: "Eineinhalb Millionen Niederländer haben uns gewählt, sie haben sich für mehr Sicherheit, weniger Kriminalität und weniger Islam entschieden", sagte er unter einem Konfettiregen. "Es wäre höchst undemokratisch, dieses Votum zu ignorieren."

Königin geschockt
Auch für Staatsoberhaupt Königin Beatrix, die nach Beratungen mit prominenten Politikern den Prozess der Regierungsbildung einleitet und zumindest formal steuert, soll eine Beteiligung des Rechtspopulisten eine Horrorvorstellung sein. Auch sie, so ist in Hofkreisen zu hören, fürchtet um die internationale Reputation des Nordsee-Königreichs mit einem Geert Wilders als Minister. Einem Mann immerhin, gegen den noch ein Gerichtsverfahren wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Hass gegen Muslime läuft.

Doch Beatrix weiß natürlich auch, dass sie die Königin aller rund 16,5 Millionen Niederländer ist. Und zu denen gehören neben rund einer Millionen Muslime - untern denen die Furcht nach Angaben von Sprechern islamischer Verbände nun wächst - eben auch die rund 1,5 Millionen Wilders-Wähler. "Henk und Ingrid", wie er seine Anhängerschaft in Gegenüberstellung zu "Ali und Fatima" nannte.

Am 17. Juni soll sich das Parlament in der neuen Zusammensetzung konstituieren. Mit der PVV als drittgrößter Fraktion ist absehbar, wie Wilders künftig auftreten wird. Dreist, aber rhetorisch stark, wie im Wahlkampf, mit Sprüchen wie diesem: "Die linken Eliten glauben immer noch an Multikulti und das Schmusen mit Strafftätern, an Entwicklungshilfe, den europäischen Superstaat und hohe Steuern. Aber der Rest der Niederlande denkt darüber ganz anders."

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