Der Wandel von Majadin

Wie Islamisten in Syrien regieren

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Radikale Islamisten setzen ihre altertümlichen Moralvorstellungen durch.

Wer erfahren will, wie es in Syrien bald zugehen könnte, der muss nach Majadin fahren. Unbekleidete Schaufensterpuppen findet der Besucher in der östlichen Kleinstadt am Euphrat längst nicht mehr. Frauen, die Hosen tragen? Verboten. Ausschank von Alkohol? Verboten. Völlige Verschleierung der Frauen? Vorgeschrieben. Was die 54.000 Einwohner der Stadt erleben, lässt erahnen, mit welcher Konsequenz sich die radikalen Islamisten in dem Bürgerkriegsland durchsetzen, sobald sie die Macht haben.

Die Al Kaida nahestehende Al-Nusra-Front, die Majadin kontrolliert, wird im Lager der Aufständischen immer stärker. Bisher machen die Extremisten zwar nur eine kleine Fraktion bei den Rebellen aus. Doch die Kämpfer, die den Tod in der Schlacht als Märtyrertum in Kauf nehmen, gewinnen an Größe und Einfluss.

Durch die Straßen von Majadin patrouillieren nun Männer mit langen Bärten, die sich weigern, mit weiblichen Reportern zu sprechen. Sie setzen die strikte Auslegung des Islam durch und treiben die Einwohner fünf Mal am Tag zum Gebet in die Moscheen. Die Al-Nusra-Kämpfer streben ein Kalifat an - und einen Lebensstil wie im 7. Jahrhundert. Zur Gebetszeit werden Einzelhändler gezwungen, ihre Läden zu schließen. Geschäfte, die Alkohol verkauft haben, werden gleich dichtgemacht.

Den Extremisten geht es aber nicht nur um eine Umerziehung der Erwachsenen. Eine neue Generation radikaler Islamisten soll heranwachsen. Für die Kinder von Majadin gibt es nun täglichen Religionsunterricht. Ein kleiner Junge erzählt, es gehe dabei um die Rolle der Frau, Polygamie in der Ehe und den Heiligen Krieg gegen das "Assad-Regime". Als Anreiz erhält jedes Kind, das kommt, Brot. In Majadin, wo selbst das Wasser knapp ist, essen sie sonst Seegras vom Euphrat.

Zwar stimmen viele gerade junge Syrer mit den radikalen Vorstellungen der Al-Nusra nicht überein. Aber die militärischen Erfolge haben den Extremisten Respekt eingebracht. Er habe andere moralische Vorstellungen, sagte etwa der 19-jährige Jura-Student Mohammed, der in Majadin aufgewachsen ist. "Aber ich werde jedem folgen, der gegen das Regime kämpft."

Dass auch junge Leute ohne islamistischen Hintergrund sich den Gotteskriegern anschließen, besorgt viele in der kleinen Stadt: "Wir haben unsere Stadt und unsere Kinder verloren. Nun nehmen sie uns auch die Zukunft", sagt die 22-jährige Hausfrau Fadia.

Liberale im Ort versuchen, sich zumindest einen Teil ihres bisherigen Lebens zu bewahren. Als die drohende Herrschaft der Islamisten die Runde in den Stadtvierteln machte, haben sie angefangen, Arak zu horten. Wer sich traut, schmuggelt den Trauben-Likör in die Stadt. Eine Flasche kostet mittlerweile fünf Mal so viel wie in Damaskus.

Mit der Konsequenz, mit der sie in den Rängen der Rebellen immer mehr Macht gewinnen, haben die Islamisten die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Sie sicherten sich zuerst die nahe gelegenen Öl- und Gasspeicher sowie die Getreidesilos. Wer die Ressourcen kontrolliert, hat die Macht.

Der Kontakt zur Außenwelt funktioniert kaum noch. Telefon und Internet sind abgestellt. Wer den Hunger nicht mehr erträgt und sich ins nahe Deir al-Sor aufmacht, riskiert beim Überschreiten der Kampflinie Festnahme oder gar sein Leben. Einwohner berichten, dass Plünderungen und Diebstahl überhandgenommen haben. Eine öffentliche Ordnung existiert praktisch nicht mehr. Nach Einbruch der Dunkelheit werden die Straßen gespenstisch still.

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