Geheimdokumente

Wirbel um spektakuläre Nahost-Enthüllungen

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Die Palästineser waren angeblich zu großen Zugeständnissen bereit.

Brisante Veröffentlichungen über die angeblichen Grenzen eines zukünftigen palästinensischen Staates sorgen im Nahen Osten für Aufregung. Dem arabischen TV-Nachrichtensender Al-Jazeera liegen nach eigenen Angaben Dokumente vor, die beweisen, dass die Palästinenser während der Friedensgespräche 2008 zu weitaus größeren Zugeständnissen an Israel bereit gewesen wären als bisher bekannt. Palästinensische Unterhändler wiesen den Inhalt des Berichts vehement zurück.

"Lügen und Halbwahrheiten"
Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte der Zeitung "Al-Ayyam" am Montag, es handle sich bei den Berichten um "Lügen und Halbwahrheiten". Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas zeigte sich von den Berichten überrascht. Sie stellen seiner Ansicht nach die Positionen beider Seiten bewusst verwirrend dar. "Es ist beabsichtigt, ein Durcheinander zu schaffen", sagte Abbas am Montag in Kairo. So würden israelische Positionen als palästinensische ausgegeben. Unterdessen bestätigte der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman Pläne für einen palästinensischen Staat mit vorläufigen Grenzen.

Al-Jazeera zitierte unter anderem Protokolle eines Treffen vom 15. Juni 2008 in Jerusalem. An dem Gespräch waren die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice, ihre damalige israelische Amtskollegin Tzipi Livni sowie der ehemalige palästinensische Ministerpräsident Ahmed Korei und Chefunterhändler Erekat beteiligt. Korei soll laut Al-Jazeera vorgeschlagen haben, dass Israel alle jüdischen Viertel im arabischen Ostteil Jerusalem außer der Siedlung Har Homa annektiert. Erekat habe zudem mehrere Siedlungen im Bereich Jerusalems aufgelistet, auf deren Gebiet die Palästinenser verzichten könnten: French Hill, Ramat Alon, Ramat Shlomo, Gilo und Talpiot. Dort leben derzeit etwa 200.000 Israelis. Im Gegenzug hätten sie den Unterlagen zufolge israelisches Land verlangt, darunter einen Bereich nahe der Grenze zum Westjordanland. Außerdem sollen die Palästinenser eine vorübergehende internationale Kontrolle des Geländes der Al-Aksa-Moschee in Ostjerusalem vorgeschlagen haben. Es sollte demnach von den Palästinensern, Israel, den USA, Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien verwaltet werden, bis beide Seiten eine dauerhafte Einigung getroffen hätten.

100.000 Flüchtlinge

Beim strittigen Thema Flüchtlinge seien die Palästinenser damit einverstanden gewesen, dass Israel über zehn Jahre hinweg jährlich 10.000 Flüchtlinge aufnehme, insgesamt also 100.000 Menschen, berichtete Al-Jazeera weiter. Bisher bestehen die Palästinenser auf einem Rückkehrrecht nach Israel für alle palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen - das sind mehrere Millionen Menschen. Die Regierung in Jerusalem lehnt das als Bedrohung für den jüdischen Charakter des Staats ab.

Erekat bezeichnete den Bericht als "einen Haufen Lügen". Er enthalte Fehler und Ungenauigkeiten, außerdem seien seine Worte aus dem Zusammenhang gerissen worden. "Ich habe immer gesagt, dass Ostjerusalem Teil von Palästina ist", erklärte Erekat. "Wenn wir bei den Flüchtlingen nachgegeben und solche Zugeständnisse gemacht hätten, warum hat Israel dann nicht einem Friedensvertrag zugestimmt?", fragte er.

Heimliche Kollaboration
Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri sagte am Montag in Gaza, die Dokumente bewiesen, dass die palästinensische Führung heimlich mit Israel kollaboriere. Er warf der Abbas-Administration vor, "die gerechte palästinensische Sache zu zerstören".

Die Friedensgespräche wurden nach der dreiwöchigen Gaza-Offensive Israels Anfang 2009 abgebrochen. Laut Al-Jazeera wurde Abbas im Voraus über die geplante Invasion informiert; der palästinensische Präsident hat dies bisher bestritten. Der arabische Fernsehsender verfügt nach eigenen Angaben über rund 1.600 geheime Dokumente aus den Friedensverhandlungen während der vergangenen zehn Jahre - Gesprächsprotokolle, E-Mails und Karten aus den Jahren 1999 bis 2010. Eine Sendung am Sonntag konzentrierte sich auf das Thema Jerusalem. In den kommenden Tagen sollen weitere folgen.

Vorläufige Grenzen
Da die Friedensgespräche ins Stocken geraten seien, gebe es "keinen anderen Weg", als den Palästinensern einstweilen ein Gebiet mit "vorläufigen" Grenzen zuzuweisen, sagte Außenminister Lieberman einem israelischen Radiosender. Ein Regierungsmitarbeiter hatte am Sonntag hinter vorgehaltener Hand mitgeteilt, Israel wolle den Palästinensern vorläufig bis zu 50 Prozent des Westjordanlandes überlassen. Die Palästinenser beanspruchen mit Unterstützung der Arabischen Liga und im Einklang mit mehreren UNO-Resolutionen das komplette Westjordanland in den Grenzen von 1967 (vor den Sechs-Tage-Krieg) als Teil ihres unabhängigen Staates mit der Möglichkeit eines Gebietsaustausches durch Verhandlungen. "Vorläufige" Grenzen lehnt die palästinensische Führung ab.

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