Magazin veröffentlichte starke Sprüche des Afghanistan-Oberkommandierenden.
Ein "wütender" US-Präsident Barack Obama hat seinen Oberkommandierenden in Afghanistan, Stanley McChrystal, ins Weiße Haus zitiert. Dort soll er am Mittwoch wegen abfälliger Äußerungen über Regierungsmitglieder - auch über Obama selbst - Rede und Antwort stehen. Der General, der Oberbefehlshaber der internationalen Truppen in Afghanistan ist, entschuldigte sich zwar inzwischen, auch direkt bei Pentagonchef Robert Gates. US-Kommentatoren bezweifeln dennoch, dass er den Skandal "überlebt".
Obama "sauer" auf McChrystal
Der Sprecher des Weißen
Hauses, Robert Gibbs, sagte, Obama sei wütend und "sauer" auf McChrystal.
Auf die Frage nach dem Schicksal des Generals antwortete er: "Wir werden
nach dem Treffen (am Mittwoch) mehr zu sagen haben." Gates warf McChrystal
einen "erheblichen Fehler" vor. "Unsere Truppen und Verbündeten bringen
außerordentliche Opfer für unsere Sicherheit, und unser Hauptaugenmerk muss
es sein, sie zu unterstützen und in Afghanistan erfolgreich zu sein, ohne
derartige Ablenkungen", hieß es in einer schriftlichen Erklärung weiter.
Überlebt McChrystal den Skandal?
Der Skandal kommt zu einem kritischen Zeitpunkt: Erst vor wenigen Tagen wurde eine Sommeroffensive zur Vertreibung der Taliban aus Kandahar verschoben. Obama steht unter wachsendem Druck, die Sicherheitslage im Land zu stabilisieren, da bereits im Sommer kommenden Jahres der versprochene Truppenabzug aus Afghanistan eingeleitet werden soll.
"Der abtrünnige General"
Die kritischen Äußerungen
sind in einem Porträt über McChrystal im "Rolling Stone"-Magazin enthalten,
das am Freitag auf den Markt kommt, aber schon vorher bekannt wurde. Unter
dem Titel "The Runaway General" (übersetzt "Der abtrünnige General") werden
Zitate, Schilderungen und Gefühle des Generals sowie enger Mitarbeiter über
Obama, Vizepräsident Joe Biden, den US-Botschafter in Afghanistan, Karl
Eikenberry, und den nationalen Sicherheitsberater Jim Jones wiedergegeben.
Auch von Obamas Afghanistan-Sonderbeauftragtem Richard Holbrooke hält
McChrystal anscheinend wenig.
Jones etwa, so beschreibt es ein Mitarbeiter des Generals, sei "ein Clown". Ein anderer schildert, dass sein "Boss" enttäuscht von seinem ersten Zweier-Treffen mit Obama (im vergangenen Jahr) gewesen sei: "Obama wusste ganz klar nichts über ihn (McChrystal)". Der Präsident habe auch nicht sonderlich engagiert gewirkt - das bei der Begegnung "mit dem Mann, der seinen Sch..krieg leiten wird". Schon bei einem ersten Treffen mit führenden Offizieren fand der General den Schilderungen zufolge, dass Obama "eingeschüchtert" wirkte, sich nicht "wohl in seiner Haut" fühlte.
Würde zu Chaos führen
Biden hatte sich gegen die von
Obama verfügte Truppenaufstockung in Afghanistan gewandt und sich damit
McChrystals Unmut zugezogen, heißt es in dem Bericht. Demnach nannte der
General den Vize "kurzsichtig" und erklärte, Bidens
Afghanistan-Vorstellungen würden zu einem Chaos führen. Über Eikenberry, der
Bidens Auffassung teilte, soll McChrystal laut dem Artikel gesagt haben: "Er
will sich nur absichern, für die Geschichtsbücher."
In einer am Dienstag in Kabul veröffentlichten Erklärung bat McChrystal, seine "aufrichtige Entschuldigung" wegen des Artikels zu akzeptieren. Die Äußerungen entsprächen nicht seinem "Prinzipien von persönlicher Ehre und Integrität". McChrystal sprach weiter von einem Fehler, der ein schlechtes Urteilsvermögen spiegle "und niemals hätte passieren dürfen. ... Ich habe enormen Respekt ... für Präsident Obama und sein nationales Sicherheitsteam, und für die zivilen Führungspersönlichkeiten und Truppen, die in diesem Krieg kämpfen."
Die NATO stellte sich in einer ersten Stellungnahme unterdessen hinter den US-General. "Der Artikel im "Rolling Stone" ist bedauerlich, aber es ist nur ein Artikel", sagte ein Sprecher in Brüssel. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen habe weiterhin "volles Vertrauen in General McChrystal und dessen Strategie".