In Moskau werden bis zu 100.000 Demonstranten erwartet.
Drei Wochen nach der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl in Russland fordern Zehntausende Menschen bei Straßenprotesten demokratische Neuwahlen. Bei Minusgraden und viel Schnee begannen in Moskau die größten Anti-Regierungsproteste seit dem Machtantritt von Wladimir Putin vor mehr als zehn Jahren. Allein in der Hauptstadt waren 50.000 Menschen zugelassen. Die Organisatoren, darunter Regierungskritiker und Intellektuelle, erwarteten aber mehr als 100.000 Demonstranten.
Trotz Kälte Tausende auf den Straßen
Auch in St. Petersburg, in Nowosibirsk und vielen anderen Städten gingen trotz eisiger Kälte Tausende Menschen auf die Straße. Sie protestieren gegen die aus ihrer Sicht "schmutzigste Duma-Wahl" seit Ende der Sowjetunion vor 20 Jahren. Dabei kam es bei einzelnen nicht genehmigten Straßenprotesten zu Festnahmen, wie die Agentur Interfax meldete.
Russlands Ex-Finanzminister Alexej Kudrin wollte an der Protestkundgebung "Für ehrliche Wahlen" auf Sacharow-Prospekt in Moskau sprechen. Das kündigte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur RIA Novosti an. Er erklärte am Samstag in einem offenen Brief an die Demonstranten: "Ich teile Ihre negativen Gefühle in Bezug auf die Ergebnisse der Parlamentswahl in unserem Land." Es müsse nun einen Dialog zwischen Regierung und Gesellschaft geben, um einen friedlichen Wandel zu ermöglichen und einen gewaltsamen Umsturz zu verhindern, warnte Kudrin in dem Schreiben, das die Zeitung "Kommersant" auf ihrer Internet-Seite veröffentlichte. Zugleich bot sich Kudrin als Vermittler an, um einen Weg für Reformen auszuloten.
Der amtierende Staatschef Dmitri Medwedew hatte Kudrin im September nach einem öffentlich ausgetragenen Disput als Finanzminister entlassen. So hatte Kudrin erklärt, er wolle nicht weiter sein Amt ausüben, sollte Medwedew wie mit Putin vereinbart nach der Präsidentenwahl im März Regierungschef werden. Daraufhin forderte Medwedew den Putin-Vertrauten vor laufender Kamera auf, seinen Hut zu nehmen. Kudrin erwiderte daraufhin mit einem Lächeln, er müsse dies zunächst mit Putin besprechen - eine beispiellose Demütigung für Medwedew.
Behörden: "Beste Wahl aller Zeiten"
Die zentrale Wahlleitung in Moskau hatte die Abstimmung vom 4. Dezember als die "beste aller Zeiten" bezeichnet. Dabei hatte zwar die von Putin geführte Partei Geeintes Russland Einbußen verzeichnet. Sie bekam dennoch mit knapp 50 Prozent der Stimmen den Sieg zugesprochen. Seither kommt es im flächenmäßig größten Land der Erde immer wieder zu Massenkundgebungen.
Die russische Führung hat angesichts der fortwährenden Proteste Zugeständnisse angekündigt. So will Präsident Dmitri Medwedew zur Förderung des politischen Wettbewerbs den Zugang von Andersdenkenden zu Wahlen erleichtern. Die Demonstranten fordern auch die Absetzung des Wahlleiters Wladimir Tschurow. Dies hatte in der Nacht auf Samstag erstmals auch der Menschenrechtsrat des Kreml empfohlen.