Das Leiden der Opfer der Katastrophe wird immer extremer.
Trauer, Entsetzen und Verzweiflung wachsen in den Tsunami-Todeszonen im Nordosten der Japan-Hauptinsel Honshu. Während die Überlebenden in den Trümmerhalden der ausradierten Küstenorte nördlich der Millionenstadt Sendai immer noch im Schlamm nach Opfern suchen, wird die Versorgungslage brenzlig: 450.000 flüchteten bisher in Evakuierungszentren. Doch auch dort fehlt es an vielem: Oft fällt der Strom aus, die Beheizung ist unzureichend, Nahrungsmittel sind knapp. „Es gibt nur wenige Reisbälle pro Tag, kaum Wasser“, beklagt sich der Taxifahrer Shishido Yoshio gegenüber ÖSTERREICH, als er in einer Trümmerhalde nahe des Flughafens in Sendai sein zerstörtes Hauses begutachtet: „Die Lage wird für uns hier immer verzweifelter.“
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Für viele Menschen bedeutet die Katastrophe in Japan großes Leid. Besonders betroffen von den Folgen des Erdbebens und des Tsunamis sind aber die Kinder.
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Was für einen Erwachsenen nur schwer zu fassen ist, ist für die Kleinsten unbegreiflich und traumatisch.
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Während sich die "Großen" oft kaum noch zu helfen wissen, brauchen die Kinder ihre volle Unterstützung, um mit den Ereignissen umgehen zu lernen.
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Die Schwächsten der Gesellschaft brauchen inmitten des Chaos nicht nur Essen und Trinken,...
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...sondern auch Wärme und Geborgenheit.
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Schützend umarmt die Mutter ihr Kind, das in der Notunterkunft ein paar Stunden der Ruhe findet.
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Die Eltern können ihren Schützlingen auch die Angst vor dem Geigerzähler nehmen.
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Auch die vielen Helfer bemühen sich, den Kleinen die Situation so gut es geht zu erleichtern.
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Wer kann, versucht seine Kinder zumindest aus der Gefahrenzone...
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...oder überhaupt außer Landes zu bringen.
Minus fünf Grad und extrem heftige Schneefälle
Das grenzenlose Leid der Japaner erschüttert die Welt: Eine Stadt nach der anderen an der Pazifik-Ostküste wurde vom Tsunami platt gewalzt, ließ grauenhafte Trümmerlandschaften zurück. 16.000 lebten im Ort Minamisanriku, fast die Hälfte gilt noch als verschollen. Dazu ließ ein Wintersturm die Temperaturen auf minus fünf Grad stürzen, jetzt bedeckt eine Schneedecke Japans „Killing Fields“. Offiziell klettert die Opferbilanz nach dem 9,0-Monsterbeben am Donnerstag auf 5.300 Todesopfer, an die 10.000 gelten noch als vermisst. Überlebende stellten sich stundenlang für ein erstes Telefongespräch auf bereitgestellten Apparaten an. Es kam zu herzzerreißenden Szenen, als unter Tränen die für ihre Angehörigen erlösenden Worte kamen: „Ich bin am Leben…“
Die Regierung ist hoffnungslos überfordert: Zwar wurden 100.000 Soldaten ins Bebengebiet entsandt, 100.0000 Decken, 120.000 Wasserflaschen und 110.000 Liter Benzin verteilt.
Essen wird rationiert, auch Wasser, Benzin und Heizöl
Die Warteschlangen werden länger – für das Notwendigste: Essensrationen, Wasser, Benzin, Heizöl. Kinder weinen, während sie frierend mit ihren Eltern durch das Schneetreiben ziehen. Läden rationieren den Verkauf: Zwei Snacks pro Person und je eine Fleisch- oder Fischdose. Preisanstiege um das Hundertfache sind normal.
Dazu kommen Probleme mit der medizinischen Versorgung, berichten Teams von Ärzte ohne Grenzen: In höchster Gefahr sind vor allem alte Menschen und Patienten, wo die Behandlung akuter Beschwerden eingestellt wurde. Auch Medikamente werden knapp. Dazu leiden immer mehr an Unterkühlung und Entwässerung. Entlegene Katastrophenorte können wegen zerstörter Straßen kaum erreicht werden.
Die geduldigen Japaner bleiben diszipliniert, doch die Wut über das Versagen Tokios steigt: „Während alle auf die Atomkatastrophe schauen, werden wir hier vergessen“, beklagt sich der Manager eines Autohändlers in Sendai, Yoshimi Sato (45): „Hier fehlt es an allem“. Dazu kommt für Zehntausende Japaner die unbändige Trauer: „Ich schaffe es einfach nicht“, bricht Hoshi Yasuaki in Sendai beim Marsch durch einen zerstörten Vorort unter Tränen zusammen. Er will zur Ruine seines Hauses, kann nicht weiter. Dort ist seine Familie gestorben. Er schüttelt den Kopf: „Warum nur? Warum…?“
Herbert Bauernebel