Katastrophe

Zugunglück in Spanien: Lokführer schweigt

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 Behörde: Zugsführer bremste vier Kilometer zu spät.

Nach dem verheerenden Zugunglück in Spanien mit 78 Toten ist der Lokführer inzwischen dramatisch in Erklärungsnot geraten. Der Eisenbahner hätte den Bremsvorgang gemäß den Sicherheitsvorschriften schon vier Kilometer vor der Unfallstelle bei Santiago de Compostela beginnen müssen, wie der Präsident der Eisenbahninfrastruktur-Behörde Adif, Gonzalo Ferre, am Freitag der spanischen Nachrichtenagentur EFE sagte.

Die Polizei hatte zuvor Francisco bereits unter dem Vorwurf der Fahrlässigkeit noch im Krankenhausbett festgenommen. Medienberichten vom Freitagabend zufolge lag Francisco noch im Krankenhaus unter Polizeiaufsicht und verweigerte am Freitag seine Aussage. Nach bisherigen Erkenntnissen fuhr der 52-Jährige am Mittwochabend seinen Zug in einer Tempo-80-Zone mit 190 Kilometern pro Stunde ins Unglück.

Tacho-Foto auf Facebook
Der Grund für das hohe Tempo könnte Prahlerei gewesen sein. Der 52-Jährige Francisco habe bereits 2012 auf seiner Facebook-Seite das Foto eines Zug-Tachometers veröffentlicht, der 200 Stundenkilometer anzeigte. Das Bild habe er mit den Worten kommentiert: "Ich bin am Anschlag, ich kann nicht schneller fahren, sonst kriege ich eine Strafe."

Zugunglück in Spanien: Lokführer schweigt
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"Ich möchte sterben"
Francisco, der beim Unfall mit einer Kopfverletzung davongekommen war, sei bereits am Donnerstag festgenommen worden, sagte der Chef der Polizei der Autonomen Region Galicien, Jaime Iglesias. Er werde "einer Straftat in Zusammenhang mit dem Unglück" verdächtigt und solle bald als Beschuldigter aussagen. Einem Bericht der Zeitung "El Mundo" zufolge soll Francisco kurz nach dem Unglück gesagt haben: "Ich habe es vermasselt, ich möchte sterben." Laut Medien hat der Lokführer eingeräumt, viel zu schnell gefahren zu sein. Den Grund dafür nannte er demnach noch nicht.

Neben der Vernehmung des Lokführers soll die Auswertung des Fahrtenschreibers den Ermittlern Aufschlüsse zur Klärung des schwersten Eisenbahnunglücks in Spanien seit mehr als 40 Jahren geben. Ferre betonte, alle Sicherheitssysteme hätten funktioniert, für den Fall eines Systemausfalls verfüge der Lokführer aber über einen genauen Plan mit allen Anweisungen. Behördenchef Ferre sagte: "Das ist ja die Aufgabe des Lokführers: die Geschwindigkeit zu kontrollieren. Sonst wäre er Passagier."



Opferzahl korrigiert
Die Polizei korrigierte die Zahl der Toten inzwischen nach unten. "Wir haben bisher 78 Leichen", hieß es. Zwei seien offenbar zunächst doppelt gezählt worden. Unter den Todesopfern sind nach amtlichen Angaben fünf Ausländer: ein US-Bürger, eine Dominikanerin, eine Mexikanerin, ein Kolumbianer sowie ein Mensch aus Algerien. Sieben Opfer waren am Freitag noch nicht identifiziert. Wie Galiciens Regionalbehörden mitteilten, wurden 178 Fahrgäste verletzt. Der Zustand von 32 Menschen war am Freitag nach amtlichen Angaben noch kritisch.

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Wie die zu hohe Geschwindigkeit zu erklären ist, mit der der Zug nach bisherigen Erkenntnissen in die Kurve vier Kilometer vor dem Bahnhof des Wallfahrtsortes einfuhr, ist weiter unklar. Die staatliche Bahngesellschaft Renfe warnte vor vorschnellen Folgerungen. Die Lokführer-Gewerkschaft Semaf nahm den Lokführer in Schutz und erklärte, das Sicherheitssystem kurz vor Santiago beim Übergang von Hochgeschwindigkeits- auf Normalstrecke sei ungeeignet. Bau- und Verkehrsministerin Ana Pastor wies dies zurück.

Die Katastrophe nahe der Pilgerstadt Santiago war das erste tödliche Unglück im Hochgeschwindigkeitsnetz der spanischen Bahn. Der Wallfahrtsort, der das Ziel des Jakobsweges bildet, sagte alle Feiern zu Ehren des Heiligen Jakobs am Wochenende ab. Ministerpräsident Mariano Rajoy ordnete für Spanien eine dreitägige Trauer an.

Der Unglückszug war am Mittwoch auf der Fahrt von Madrid zur Küstenstadt Ferrol im Nordwesten des Landes. Die Waggons des Zuges wurden bei dem Unglück auseinandergerissen und sprangen aus den Schienen. Einige Wagen prallten neben den Gleisen gegen eine Betonwand und stürzten um, andere Waggons verkeilten sich ineinander. Ein Wagen flog sogar über die Begrenzungsmauer hinweg. Die Katastrophe erinnerte an das ICE-Unglück von Eschede 1998.

Die Zahl der Opfer, die zunächst mit zehn angegeben worden war, wurde mehrmals nach oben korrigiert. Am Donnerstag in der Früh sprach ein Regierungssprecher von 69 Toten und 143 Verletzten. 65 Leichen seien aus den Trümmern des Zuges geborgen worden, vier Menschen seien im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen. Insgesamt befanden sich 238 Personen im Zug.

Die Behörden gingen von einem Unfall aus. Aus dem Innenministerium verlautete, dass ein Anschlag ausgeschlossen werde. Für Spekulationen sorgten jedoch Augenzeugenberichte, wonach kurz vor dem Unglück eine Detonation zu hören war. Das Unglück weckte zudem Erinnerungen an die islamistischen Anschläge auf Regionalzüge in der Hauptstadt Madrid im Jahr 2004, bei denen 191 Menschen ums Leben kamen.

Mit 190 km/h statt der erlaubten 80 km/h unterwegs

Jetzt veröffentlichte Bilder zeigten Waggons, die auf der Seite lagen und aus denen Rauch aufstieg. Ein Waggon war in der Mitte auseinandergerissen. Einige Waggons waren gegen eine Mauer geprallt, andere verkeilten sich ineinander. Ein Wagen flog sogar über die Begrenzungsmauer hinweg. Spanische Medien veröffentlichten auch Bilder von um den Zug liegenden Leichen, die teils nur notdürftig mit Badetüchern oder Decken bedeckt waren. Die galizischen Gesundheitsbehörden riefen die Bürger auf, Blut zu spenden.

"Es passierte so schnell", sagte ein Überlebender dem Radiosender Cadena Ser. Der Zug habe sich in einer Kurve verdreht, danach hätten sich die Waggons aufgetürmt. "Eine Menge Menschen wurde zu Boden gedrückt. Wir haben versucht, ins Freie zu kommen, und bemerkten dabei, dass der Zug in Flammen stand. Ich habe Leichen gesehen."

Krisensitzung der spanischen Regierung
Die spanische Regierung trat noch am Mittwochabend zu einer Krisensitzung zusammen, nachdem zuvor Verkehrsministerin Ana Pastor an den Unglücksort geeilt war.

Papst Franziskus zeigte sich am Rande seines Brasilien-Besuchs betroffen. "Der Papst teilt den Schmerz der Familien und lädt dazu ein, zu beten und diesem tragischen Ereignis im Glauben zu begegnen", sagte Vatikan-Sprecher Federico. Lombardi. Auch Fußball-Star Cristiano Ronaldo verlieh seiner "großen Traurigkeit" über das Unglück Ausdruck und warb auf Twitter dafür, den Opfern mit Blutspenden zu helfen.

Santiago de Compostela ist die Hauptstadt der autonomen Region Galicien und ein wichtiges Pilgerzentrum, das jährlich zehntausende Menschen anzieht. Am Donnerstag sollte dort ein Fest zu Ehren des Schutzpatrons von Galicien, des Heiligen Jakobs, stattfinden. Die Behörden sagten jedoch die geplanten Feiern nach dem Unglück ab.

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