Nahost

"Zweite Phase" im Krieg gegen die Hamas mit Bodenoperationen

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Israel hat im Krieg gegen die radikale Palästinenserorganisation Hamas eine "Zweite Phase" ausgerufen und Gaza-Stadt zum "Schlachtfeld" erklärt.

Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sprach von Bodenoperationen und versprach, "den Feind über und unter der Erde zu vernichten". Auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv warnte Netanyahu, dass der Krieg "lang und hart" sein werde. Er versprach, alles zu tun, um die mehr als 200 von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu befreien.

Die israelische Armee und Netanyahu riefen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen am Samstag nochmals nachdrücklich auf, "unverzüglich" in Richtung Süden zu flüchten. "Dies ist die zweite Phase des Krieges, dessen Ziele klar sind - die Zerstörung der Regierungs- und Militärkapazitäten der Hamas und die Heimkehr der Geiseln", sagte Netanyahu vor Reportern. "Wir stehen erst am Anfang", sagte er. "Wir werden den Feind über und unter der Erde vernichten."

Netanyahu: "Siegen oder aufhören zu existieren"

Die Notstandsregierung habe die Entscheidung zur Ausweitung der Bodeneinsätze einstimmig getroffen. Der Augenblick der Wahrheit sei gekommen: "Siegen oder aufhören zu existieren", zitierte die italienische Nachrichtenagentur ANSA Netanyahu. Der Krieg in Gaza sei "unser zweiter Unabhängigkeitskrieg. Wir wollen den Mördern zurückzahlen, was sie getan haben". Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte, Israel habe kein Interesse, den Krieg auszuweiten, aber man sei "an allen Fronten gerüstet".

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, dessen Palästinensische Autonomiebehörde Teile des besetzten Westjordanlandes regiert, erklärte indes: "Unser Volk im Gazastreifen sieht sich einem Krieg des Völkermords und der Massaker gegenüber, die von den israelischen Besatzungstruppen vor den Augen der ganzen Welt verübt werden."

Viele Gebäude in Schutt und Asche

Viele Gebäude liegen in Schutt und Asche, Unterkünfte sind schwer zu finden, und den Menschen im Gazastreifen mangelt es an Lebensmitteln, Wasser, Treibstoff und Medikamenten. Ihre Notlage verschlimmerte sich am Freitagabend, als die Telefon- und Internetverbindungen unterbrochen wurden - gefolgt von schweren Bombardierungen in der Nacht.

"Gott helfe jedem, der unter den Trümmern liegt", sagte ein Journalist aus Gaza, der eine Nacht in einem Treppenhaus verbrachte und "Feuergürtel" beobachtete, als Bomben fielen und sich die israelischen Streitkräfte offenbar einen Schusswechsel mit palästinensischen Kämpfern lieferten. Ohne Mobiltelefone könne niemand Krankenwagen rufen, und den Rettungsdiensten fehle es ohnehin an Treibstoff. Verzweifelte Menschen wandten sich an die Polizei, wenn sie zu finden war, um über ihre Funkgeräte Hilfe zu holen.

Israels oberster Militärsprecher lehnte es ab, zu sagen, ob Israel hinter dem Stromausfall im Gazastreifen steckt. Er sagte aber, es werde alles Notwendige tun, um seine Streitkräfte zu schützen.

150 unterirdische Ziele der Hamas getroffen

Die israelische Armee hatte in der Nacht auf Samstag ihre bisher heftigsten Angriffe in dem Palästinensergebiet seit Beginn des Krieges vor drei Wochen geführt. Armee-Angaben zufolge wurden dabei 150 unterirdische und militärische Ziele der Hamas getroffen. Zudem sei einer der Hauptverantwortlichen für den Großangriff auf Israel getötet worden. Palästinensischen Angaben zufolge wurden bei dem nächtlichen Beschuss hunderte Gebäude im Norden des Gazastreifens komplett zerstört.

UNO-Generalsekretär António Guterres kritisierte die "beispiellose Eskalation" der Luftangriffe im Gazastreifen scharf. "Statt der von ihm erwarteten Pause" habe es eine "beispiellose Eskalation der Bombardierungen und ihrer verheerenden Auswirkungen gegeben, welche die genannten humanitären Ziele untergraben", sagte Guterres bei einem Besuch in Katar. Guterres forderte auch erneut eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verurteilten am Abend Israels Vorgehen. Diplomaten zufolge fordern die VAE eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats wegen der Ausweitung der israelischen Bodenangriffe. Die Emirate waren 2020 der erste Golf-Staat, der seine Beziehungen zu Israel normalisierte.

Hamas forderte Freilassung Gefangener

Die Hamas forderte am Samstag die Freilassung aller in Israel inhaftierten palästinensischen Gefangenen. Dies sei der "Preis", den Israel für die Freilassung der von den Islamisten verschleppten Geiseln "bezahlen" müsse, hieß es in einer vom Hamas-Fernsehen verbreiteten Videobotschaft des Sprechers des bewaffneten Arms der militanten Organisation, Abu Obeida.

Nach israelischen Militärangaben sind bereits mindestens 700.000 Palästinenser in den Süden des Gazastreifens geflohen. Die Vereinten Nationen sprechen von 1,4 Millionen Binnenflüchtlingen. Insgesamt leben in dem dicht besiedelten Gebiet mehr als 2,2 Millionen Menschen. Am Samstag plünderten Binnenflüchtlinge ein UNO-Lebensmittellager.

Erneut israelische Städte vom Gazastreifen aus beschossen

Am Samstag sind indes auch wieder israelische Städte vom Gazastreifen aus beschossen worden. In mehreren Ortschaften im Grenzgebiet zu dem Küstenstreifen heulten mehrmals Sirenen, wie die israelische Armee mitteilte. Auch im Großraum Tel Aviv und in Ashkelon gab es Luftalarm. In der Wüstenstadt Beersheva wurde nach Polizeiangaben ein Gebäude durch eine Rakete getroffen. Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der im Gazastreifen herrschenden Islamistenorganisation Hamas, bekannten sich zu den Angriffen aus Gaza.

Auch an Israels Grenze zum Libanon kam es am Samstag wieder zu Gefechten. Mehrere Panzerabwehrraketen und Mörsergranaten seien vom Libanon aus auf Israel abgefeuert worden, teilte die israelische Armee mit. Auch Militärposten entlang der Grenze seien beschossen worden. An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon kommt es seit Beginn des Gaza-Kriegs zunehmend zu Zwischenfällen. Auf beiden Seiten gab es bereits Todesopfer.

Netanyahu: Ohne Iran gebe es die Hamas nicht

Netanyahu weiß eigenen Angaben zufolge nicht, ob der Iran an der Planung des brutalen Terrorangriffs der islamistischen Hamas vom 7. Oktober beteiligt war. Er gehe davon aus, dass der Iran 90 Prozent des Militärbudgets der Hamas finanziere, sagte Netanyahu am Samstagabend. Ohne den Iran gebe es die Palästinenserorganisation nicht, betonte Israels Regierungschef. Gleiches gelte für die Hisbollah-Miliz.

Im Krieg zwischen Israel und der Hamas gibt es die Sorge, dass auch die pro-iranische Hisbollah vom Libanon aus stärker einsteigen könnte. Die Hisbollah gilt als weitaus gefährlicher für Israel als die im Gazastreifen herrschende Hamas. Der Libanon hat nach Worten ihres geschäftsführenden Premierministers Najib Mikati für den Fall, dass sich der Gaza-Krieg ausweitet, einen Notfallplan vorbereitet.

Durch den Terror der Hamas starben bisher rund 1.400 Israelis, rund 220 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Auf der anderen Seite sind im Gazastreifen nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde in Ramallah 7.650 Menschen durch israelische Angriffe ums Leben gekommen. 19.450 seien verletzt worden. Am Samstag gab es weltweit in zahlreichen Städten pro-palästinensische Kundgebungen, darunter auch in Bregenz.

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