Fast ein Jahr dauerte der Bawag-Prozess. Mit dabei zahlreiche prominente Zeugen - von Vranitzky bis Schlaff.
Als allererster Zeuge hat am 6. September 2007 Ewald Nowotny, zum Zeitpunkt seiner Aussage noch BAWAG-Generaldirektor, ausgesagt. Nowotny belastete den früheren BAWAG-Vorstand. Es habe mangelnde Information der Finanzmarktaufsicht und mangelndes Risikomanagement gegeben, die Großveranlagungsgrenzen seien überschritten worden. Bei der Innenrevision habe es Defizite gegeben, in der BAWAG habe eine "Bank in der Bank" existiert.
Bayerische Staatsminister für Finanzen
Am 11. September 2007
fand sich der bayerische Staatsminister für Finanzen, Kurt Faltlhauser
(CSU), Vertreter des früheren BAWAG-Miteigentümers BayernLB, im Zeugenstand
wieder. Der frühere BAWAG-Aufsichtsrat Faltlhauser zeigte kein Verständnis,
dass der Aufsichtsrat damals nicht über die Verluste aus den
Sondergeschäften mit Wolfgang Flöttl informiert worden war, und kritisierte
die Geheimhaltung: "Es geht nie gut, wenn Sie etwas vertuschen wollen".
ÖGB-Präsident
Am 18. September 2007 belastete
ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer seinen langjährigen Vorgänger an der
Gewerkschaftsspitze, Fritz Verzetnitsch, und warf ihm die Überschreitung
seiner Befugnisse vor. Verzetnitsch hätte die Garantien für die BAWAG ohne
Beschluss des ÖGB-Bundesvorstands nicht abgeben dürfen, so Hundstorfer: "Ich
bin zutiefst überzeugt, dass er seine Befugnisse weit überschritten hat".
Am 19. September 2007 rechtfertigte sich der frühere ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch im Zeugenstand: Die von ihm unterzeichnete ÖGB-Garantie habe seine Befugnisse nicht überschritten, betonte er und verteidigte die Geheimhaltung der ÖGB-Garantie und des BAWAG-Verlusts: Das sei notwendig gewesen, um das Vermögen des ÖGB zu schützen.
Flöttl-Gattin
Am 20. September 2007 sagte die Ehefrau des
mitangeklagten Wolfgang Flöttl, Barbara Anne Eisenhower, als Zeugin aus.
Über die Geschäfte ihres Mannes wisse sie nichts, sagte die Enkelin des
früheren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower. Die mit ihrem eigenen Geld
getätigten Investitionen habe ihr Mann mit Gewinn abgeschlossen, sie
vertraue ihm weiter ihr Kapital an. Flöttls Frau schilderte gemeinsame
Urlaube mit dem Ehepaar Elsner sowie einen Jacht-Urlaub mit dem Bankier
Julius Meinl und dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seiner
damaligen Verlobten und jetzigen Ehefrau Fiona.
Franz Vranitzky
Am 1. Oktober 2007 verteidigte Ex-Bundeskanzler
Franz Vranitzky (SPÖ) seinen Beratervertrag mit Wolfgang Flöttl. Für das
Honorar von 1 Mio. Schilling (rund 72.000 Euro) habe er sehr wohl
Beratungsleistungen über die Einführung des Euro erbracht.
Ebenfalls am 1. Oktober 2007 beteuerte die frühere Vize-Gouverneurin der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Gertrude Tumpel-Gugerell, sie habe niemals auf den kritischen BAWAG-Prüfbericht der OeNB aus dem Jahr 2001 Einfluss genommen.
Karl-Heinz Grasser
Am 2. Oktober 2007 berief sich
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser auf die "Weisheit des Rückblicks".
Grasser ortete bei Finanzmarktaufsicht, Finanzministerium und Nationalbank
geteilte Verantwortung. Er selber habe den Nationalbank-Prüfbericht 2001 nie
gesehen, dieser wurde im Finanzministerium abgelegt, bekannte Grasser.
Am 4. Oktober 2007 nutzte der ehemalige GPA-Vorsitzende und ÖGB-Vizepräsident Hans Sallmutter seinen Zeugenauftritt, um mit dem langjährigen ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch und dem früheren ÖGB-Finanzchef und BAWAG-Aufsichtsratspräsidenten Günter Weninger abzurechnen. Er könne das Verschweigen der Verluste überhaupt nicht akzeptieren. Wäre das nicht passiert, "hätte das die Rettung der Bank sein können. Und auch die Rettung des ÖGB, der Eigentümer dieser stolzen Bank hätte bleiben können".
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Schlaff, Haidinger, Wallner uva.
Am 11. Oktober 2007 trat der Investor Martin Schlaff in den
Zeugenstand. Schlaff zeigte sich unwissend über das im Jänner 2001
losgetretene Finanzkarussell, kurz nachdem die BAWAG durch Flöttl insgesamt
1,44 Mrd. Euro Verlust erlitten hatte und laut Anklage versuchte, die
Verluste zu verschleiern. Er habe der BAWAG nur einen Geschäftsmann
vermittelt, dieser habe dann mit der BAWAG diese Transaktionen abgewickelt.
Hedgefonds-Manager
Am 15. Oktober 2007 sagte der Londoner
Hedgefonds-Manager Kaveh Alamouti als Zeuge aus. Er hatte für ein geplatztes
Joint Venture mit Wolfgang Flöttl 3 Mio. Euro als Honorar und Entschädigung
erhalten. Im Rückblick fühle er sich als Köder missbraucht, um die BAWAG an
die Angel zu bekommen.
Elsner-Gattin
Am 5. November 2007 lieferte Ruth Elsner, Ehefrau
von Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner, Einblicke ins private Umfeld des
Angeklagten. Sie schilderte, wie entsetzt ihr Mann über die Verluste der
Bank durch die Spekulationsgeschäfte von Wolfgang Flöttl gewesen sei. "Du
kannst es dir nicht vorstellen, das ganze Geld ist weg", habe ihr Mann im
Oktober 1998 zu ihr gesagt, als er durch ein Telefonat mit Flöttl vom ersten
großen Totalverlust mit den BAWAG-Geldern erfahren habe. "Mein Mann war
vollkommen fertig", schilderte sie vor Gericht.
Vorstand der Finanzmarktaufsicht
Am 7. November 2007 betonte der
Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA), Kurt Pribil, im Zeugenstand, dass
die Bankenaufsicht jetzt bei einem neuen Fall wie der BAWAG stärker
reagieren würde. "Heute würde so etwas ganz anders ablaufen". Als die
neugegründete FMA im April 2002 tätig wurde, habe er aber keine Anzeichen
für Probleme gesehen: "Die BAWAG stand auf Grün", so Pribil.
Am 14. November 2007 trat der Liechtensteiner Treuhänder Kuno Frick jun. in den Zeugenstand. Er war Stiftungsvorstand bei den im Herbst 1998 ins Leben gerufenen Stiftungen der BAWAG, mit deren Hilfe die Flöttl-Verluste außerhalb der Bilanz gehalten und verheimlicht wurden. Die Stiftungsnamen "Bensor", "Biamo", "Treval" und "Glenstar" seien aus einer Liste der TTA mit frei verfügbaren Stiftungsnamen gewählt worden, "Phantasienamen", wie Frick erläuterte.
Hundstorfer, die Zweite
Am 6. Februar 2008 musste ÖGB-Chef
Hundstorfer zum zweiten Mal in den Zeugenstand. Er bekräftigte das
Bekenntnis des ÖGB zur Rettung seiner angeschlagenen Bank und erläuterte die
Garantien des Gewerkschaftsbunds: Demnach hätten die Kreditaufträge der
gewerkschaftlichen Solidarität Privatstiftung (ÖGSP) die Garantien der ÖGB
Vermögensverwaltungs GmbH (ÖVV) ersetzt und seien nicht hinzugetreten. Damit
stützte Hundstorfer die Angaben des angeklagten Ex-ÖGB-Finanzreferenten
Weninger, die jedoch vom mitangeklagten früheren BAWAG-Wirtschaftsprüfer
Robert Reiter bestritten wurden.
Herwig Haidinger
Am 19. Februar 2008 trat ein politisch brisanter
Zeuge auf: Der Anfang Februar 2008 abgelöste frühere Leiter des
Bundeskriminalamts (BKA), Herwig Haidinger, versicherte zwar, die
Ermittlungen zur Causa BAWAG seien in der von ihm eingerichteten
"Sonderkommission BAWAG" von Weisungen des Ministeriums unbeeinflusst
gelaufen. Allerdings habe es politischen Druck aus dem Kabinett des -
ÖVP-geführten - Innenministeriums auf ihn gegeben, der Ressortleitung
bestimmte Informationen zu liefern. Er habe etwa über Ladungstermine von
Verdächtigen oder Zahlungsflüsse von der BAWAG oder dem ÖGB an die SPÖ
berichten sollen, sagte Haidinger. Von ihm ans Kabinett des Ministeriums
übermittelte Informationen seien später in den Medien aufgetaucht,
Journalisten hätten von Ladungsterminen erfahren.
Oligarch Schlaff
Ebenfalls am 19. Februar musste der Unternehmer
Martin Schlaff zum zweiten Mal in den Zeugenstand, wo er Fragen zum Casino
Jericho in Palästina beantwortete. "Das Casino war mein Projekt", schilderte
er, Aktionäre seien die Schlaff zuzurechnende MS Privatstiftung, die Casinos
Austria, die BAWAG und die Palästinenser gewesen.
Generaldirektor der Casinos Austria
Am 4. März 2008 erläuterte
der frühere Generaldirektor der Casinos Austria, Leo Wallner, im Zeugenstand
Details zum Casino Jericho - das die Casinos trotz Schließung als Erfolg
sahen: "Wir haben so viel verdient, dass kein Verlust entstanden ist". Warum
die BAWAG damals keine Wertberichtigungen durchgeführt hatte, wollte Wallner
nicht beurteilen. Eine Bank und ein Casino hätten eben andere
Gesichtspunkte: "Das Bank-Geschäft ist mit dem Casino-Geschäft nicht
automatisch verbunden."
Am 22. April 2008 kam Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Norbert Steger als "allerletzter Zeuge". Steger war Vorsitzender des Verwaltungsrats der CAP Holding, der Errichtungsgesellschaft des Casino Jericho. Die laut Richterin Claudia Bandion-Ortner "ominösen Zahlungen" von einem Treuhandkonto unter seinem Namen an verschiedene Empfänger im Zusammenhang mit dem von der BAWAG finanzierten Casino bezeichnete er als "Public Relations-Aufträge" im politischen Umfeld. In das Casino-Projekt seien sowohl der israelische als auch der palästinensische Staat eingebunden gewesen. Die Geldflüsse hätten u.a. dazu gedient, "gute Stimmung" zu machen.
Elsners Schwiegersohn
Am 28. Mai 2008 wurde überraschend Elsners
Schwiegersohn Karl Kinsky als Zeuge befragt. Seinen Job in London von März
2000 bis Februar 2003 in London habe er "über Vermittlung von Wolfgang
Flöttl" erhalten, sagte Kinsky im Zeugenstand aus. Er habe aber nicht für
Flöttl gearbeitet. Elsner betonte, er habe nichts von der Flöttl-Verbindung
gewusst, während Flöttl angab, er habe Elsners Schwiegersohn auf dessen
Ersuchen beschäftigt. Als Flöttl am nächsten Tag einen Arbeitsvertrag
vorlegte, nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf
falsche Zeugenaussage auf.
Am 17. Juni 2008 wurde als wirklich "allerletzter Zeuge" Casinos Austria-Finanzvorstand Josef Leutgeb im Zeugenstand zu Abschreibungen des Casino Jericho befragt.