Die beiden geständigen Angeklagten können sich bis heute nicht erklären, wieso ihnen die Bundeswertpapieraufsicht auf den Betrug nicht draufgekommen ist.
Die geständigen zwei Hauptangeklagten im AMIS-Prozess, Dietmar Böhmer und Harald Loidl, schilderten am zweiten Prozesstag, am Dienstag, wie das "System AMIS" funktionierte und sie jahrelang Kundengelder unbemerkt von den Aufsichtsbehörden abgezweigt hatten.
"Ich lebte in einer Illusion", meinte der frühere AMIS-Chef Harald Loidl. Die Prüfer der Aufsichtsbehörden hätten nur Kleinigkeiten beanstandet und nie einen Abgleich der Soll- mit den Ist-Ständen der Kundengelder durchgeführt - "dann wäre man in fünf Minuten draufgekommen", erläuterte Böhmer.
Betrug zugegeben
Die beiden AMIS-Gründer Loidl und Böhmer sitzen
seit rund zwei Jahren in Haft. Nach ihrer Flucht waren sie Ende November
2005 in Venezuela verhaftet und sechs Monate später nach Österreich
ausgeliefert worden. Die Anklage lautet auf schweren gewerbsmäßigen Betrug,
die Strafdrohung liegt bei bis zu zehn Jahren Haft. Sie sollen gut 15.000
Anleger um 62 Mio. Euro geprelltt haben. Beide bekennen sich schuldig.
Im Selbstbedienungsladen
Böhmer erklärte dem Schöffengericht die
Geschäfte bei AMIS: Bei Sparplänen mit monatlichen Einzahlungen seien im
ersten Jahr 50 Prozent der Kundengelder gleich für Provisionen und
Firmenzwecke abgebucht worden, in den Folgejahren je 40 Prozent. Die Kunden
erhielten aber Depotauszüge, wo der volle Betrag ihres eingezahlten Geldes -
mit Zinsen - genannt wurde.
Geworben wurde bei den Kunden dagegen damit, dass überhaupt kein Ausgabeaufschlag - "Null Prozent Agio" - verrechnet wurde.
Als die Luxemburger Finanzaufsicht im Frühling 2004 eingriff, war das der Anfang von einem langsamen Ende der AMIS.
Dolce Vita
Noch im Mai 2005 habe er mit der Finanzmarktaufsicht
sprechen wollen, das sei aber nicht zustande gekommen, weil er damals kein
Aktionär bei AMIS mehr war, erklärte Loidl. Zu dieser Zeit lebte er in den
USA und hatte sich aus dem Tagesgeschäft schon weitgehend zurückgezogen -
ein Teil der AMIS-Kundengelder floss aber weiter über Liechtenstein auf sein
Konto. Das Geld brauchte er für seinen aufwändigen Lebensstil.
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Strandbar als neues Standbein
Schließlich floh Loidl im Herbst
2005 mit Böhmer nach Venezuela. Dort planten die früheren Finanzmanager noch
ein neues Geschäft: Sie wollten eine Strandbar betreiben. Zur Umsetzung der
neuen Geschäftsidee kam es jedoch nicht mehr.
Behörde nachlässig
Die Aufsicht hatte die
ungerechtfertigten Entnahmen von Kundengeldern jahrelang nicht entdeckt. Bei
den stattgefundenen Prüfungen durch die Bundeswertpapieraufsicht und die
Finanzmarktaufsicht seien letztlich nur "Kleinigkeiten" beanstandet worden,
so Böhmer. Erklären konnte er sich diesen Umstand aber auch nicht.
Gähnende Leere
Der extra für die ersten zwei Wochen des
Prozesses angemietete Konferenzsaal im Austria Center Vienna blieb wie am
ersten Prozesstag wenig besucht. Besonders die zahlreich erwarteten
geschädigten Anleger waren nicht gekommen, von den rund 80 angekündigten
Opferanwälten waren nur etwa 20 erschienen.