Der Wiener Leitindex ATX brach im Sog des Kursdebakels bei den Finanzwerten 8,6 % ein. Ein Ende der Kursstürze ist nicht in Sicht.
Ihr bislang sehr ertragreiches Osteuropa-Engagement könnte für Österreichs Banken zu einem Fass ohne Boden werden. Betroffen sind Erste Group, Raiffeisen International (RI) und die Bank Austria. Die Aktien der Ersten und der RI rasseln seit Wochen in den Keller. Am Dienstag war es wieder einmal besonders arg: Die Papiere der Erste Bank waren im freien Fall und verloren bis Börsenschluss 18 Prozent auf nur mehr sieben Euro. RI sackte um 13,5 Prozent ab.
90 Prozent Wertverlust
Gemessen an ihren einstigen Höchstständen
haben die Aktien fast 90 Prozent verloren. Auch die Vienna Insurance Group
(Wiener Städtische) rasselte gestern um knapp 18 Prozent runter. Andere
Schwergewichte stürzten ebenfalls total ab. Der Wiener Leitindex ATX büßte
gestern insgesamt 8,6 Prozent ein.
Ost-Risiko führt zu Panik
Der Grund für das neuerliche
Massaker an der Börse: Nach dem Internationalen Währungsfonds haben nun
Ratingagenturen die in Zentral- und Osteuropa (CEE) aktiven Großbanken ins
Fadenkreuz genommen. So warnte Moody’s gestern, dass „generell der
österreichische Bankensektor aus Gläubigersicht durch sein CEE-Engagement
das größte Risiko birgt.“ Betroffen sind laut Moody's vor allem Banken in
Österreich, Italien, Frankreich, Belgien, Deutschland und Schweden.
Am stärksten seien Raiffeisen, Erste Group Bank, Societe Generale, UniCredit und die belgische KBC im Osten engagiert. So verloren Aktien der Societe Generale 9,56 Prozent auf 22,745 Euro, für UniCredit-Titel ging es um 7,10 Prozent auf 1,13 Euro nach unten. Auch Aktien der Wettbewerber BNP Paribas, Intesa SanPaolo und ING Groep verloren besonders deutlich.
230 Mrd. Euro
Denn 20 Prozent aller EU-Bankkredite im Osten
stammen von österreichischen Banken – in Summe sind es gigantische 230
Milliarden Euro. CEE mache nach Jahren des Wirtschaftswachstums „nun eine
tief greifende wirtschaftliche Abschwungsphase“ durch, so die Agentur.
Am Wiener Parkett führten diese Aussagen zu einer Panik, die sämtliche Finanztitel in den Keller zogen. Es gab einen Kurssturz wie schon länger nicht mehr.
„Nicht nachvollziehbar"
Österreichs Banker geben sich
dennoch gelassen. „Wir können weder die Moody’s-Studie noch die Kursverluste
nachvollziehen“, so die Erste. Die Krise habe zwar auch die CEE-Länder
erfasst, aber diese Region werde von der Konjunkturschwäche letztlich weit
weniger betroffen sein als die wohlhabenderen Länder, argumentieren die
Banken.
IHS-Felderer beruhigt
Bernhard Felderer, Chef des
Wirtschaftsforschungsinstitutes IHS, erwartet, dass die Finanzkrise in
Zentral- und Osteuropa in großen Teilen beherrschbar sei. Lediglich in der
Ukraine und in Rumänien könne es schlimm werden, befürchtet der Experte. Das
werde den dort engagierten Banken Probleme machen, so Felderer im Gespräch
mit ÖSTERREICH.
„Aber generell haben unsere Banken zwei Drittel der Ausleihungen durch Einlagen gedeckt. Es ist nicht alles nachvollziehbar, was aus Amerika kommt. Die Analysten machen den großen Fehler, alle CEE-Länder über einen Kamm zu scheren“, meint der IHS-Chef.
Immobilienwerte stürzten um 5 Prozent
Nach Branchen zeigte sich laut der Ratingagentur Moody's ebenfalls ein tiefrotes Bild: Mit den Bankenaktien ging es im Euro-Stoxx-600 im Schnitt um 6,13 Prozent nach unten und für die Immobilienwerte um 4,98 Prozent. Kursgewinne konnten nach Sektoren nur die Versorger verbuchen.