Das Vorgutachten des Sachverständigen Thomas Havranek zur Strafsache Julius Meinl sorgt in Justizkreisen für Erstaunen. Viele Passagen sind nicht nachvollziehbar.
Der Umfang des Vorgutachtens beläuft sich auf gerade einmal 25 Seiten. Für die Staatsanwaltschaft war es aber ausreichend Anlass, um Julius Meinl V. zu verhaften und anschließend eine Rekord-Kaution von 100 Millionen Euro zu verlangen.
Hunderttausende Euro Kosten
Das Vorgutachten zur Strafsache 608
ST 1/08w Julius Meinl wurde ÖSTERREICH aus Justizkreisen zugespielt. Die
Vorwürfe sind teilweise extrem oberflächlich, nicht haltbar oder gleich
falsch. Involvierte Justizexperten sind über die Qualität des möglicherweise
Hunderttausende Euro teuren Gutachtens höchst erstaunt. Die Meinl Bank
hatte zuvor sogar einen Ablehnungsantrag gegen Havranek eingebracht – unter
anderem wegen mangelnder Qualifikation. Havranek ist als Gerichtsgutachter
eigentlich nicht für kapitalmarktrechtliche Fragen zugelassen.
Falsche Tochter
Um die Verquickung von Meinl Bank und MEL – die
von Meinl immer strikt in Abrede gestellt wurde – darzustellen, heißt es im
Gutachten etwa: „Die MERE ist wie gesagt eine 100 %ige Tochter
der MEL.“ Die MERE (Managementgesellschaft der MEL) war allerdings eine
Tochter der Meinl Bank.
3 Vorwürfe
Julius Meinl werden drei Kernpunkte vorgeworfen,
die er alle bestreitet. Er sei in Wahrheit Drahtzieher hinter allen
Aktivitäten der Meinl European Land (MEL) gewesen. Er habe die Anleger
massiv geschädigt. Konkret sollen MEL-Zertifikate zu einem überhöhten Preis
rückgekauft worden sein, der Schaden soll 1,8 Milliarden Euro betragen
(Verdacht der Untreue).
Ohne Beweis
Die Werbung für die MEL-Papiere sei irreführend und
die kassierten Gebühren (Verdacht der Provisionsschinderei) zu hoch gewesen. Es
sei davon auszugehen, „dass die gesamte Meinl Gruppe inkl. MEL von einer
Person geleitet und bestimmt wurde: Julius Meinl V.“. Dieser Satz war für
die Staatsanwaltschaft ein Grund, um Meinl einzusperren. Einen Nachweis für
diese Behauptung bleibt Havranek allerdings schuldig.
Heiterkeit
Der Vorwurf der „Provisionsschinderei“ fußt ebenfalls
auf dem Vorgutachten. Havranek beruft sich auf einen Report der
Investmentbank Morgan Stanley. Darin wurden, so steht es im Gutachten, 27
Immobilienunternehmen analysiert. Um den Vorwurf der Provisionsschinderei zu
belegen, hat Havranek „für Vergleichszwecke neun Unternehmen (inkl. MEL)
willkürlich ausgewählt“.
Alleine die Tatsache, dass „willkürlich“ noch explizit erwähnt wird, sorgt in involvierten Juristenkreisen für Lacher. Die Meinl Bank selbst weist darauf hin, dass die Gebührenstruktur transparent gewesen sei und komplett internationalen Standards entsprochen habe.