Der deutsche Finanzminister erhöht den Druck auf Liechtenstein, er hat aber auch Österreich und die Schweiz im Visier.
Alle paar Stunden gibt es Neues im Steuerskandal: In die liechtensteinische Steueraffäre sind offenbar auch deutsche Politiker bzw. Ex-Politiker verwickelt. Die Datei über deutsche Steuersünder enthalte die Namen mehrerer Politiker, deren Zahl sich "fast an einer Hand abzählen" lasse, berichtete die "Berliner Zeitung" am Freitag vorab unter Berufung auf informierte Kreise. Darunter befänden sich drei Parlamentarier der FDP und einer aus der Union, offen sei, ob es sich um Ex-Abgeordnete handle. Aus den Fraktionen von FDP und CDU/CSU hieß es, es sei von derartigen Vorwürfen nichts bekannt. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) drohte unterdessen mit schärferen Kontrollen der Finanzströme nach Liechtenstein. Auch die Schweiz sorgt sich bereits, dass von dem Steuer-Skandal etwas auf sie "abfällt".
Keine Ermittlungen gegen aktive Abgeordnete
Die
Staatsanwaltschaft Bochum hat am Abend erklärt, es stünden keine
Ermittlungen gegen aktive Bundestagsabgeordnete bevor. Nach Angaben von
Oberstaatsanwalt Hand-Ulrich Krück in der "Süddeutschen Zeitung"
(Samstag) hat sich bei den Strafermittlungen gegen 700 beschuldigte
Liechtenstein-Anleger kein Hinweis auf die Verwicklung von aktiven
Abgeordneten ergeben. "In keinem Falle ist die Aufhebung der Immunität
beantragt worden oder geplant".
"Wir reden auch von Österreich!"
Der deutsche
Finanzminister Peer Steinbrück will nicht nur den Druck auf Liechtenstein
erhöhen: "Es geht nicht nur um Liechtenstein. Wir reden auch über
die Schweiz, über Luxemburg oder über Österreich", sagte
er der "Bild am Sonntag" laut Vorausmitteilung.
Zu Liechtenstein erklärte der stellvertretende SPD-Vorsitzende: "Ich denke an die Möglichkeit, den Geschäftsverkehr mit Liechtenstein deutlich zu erschweren. Mit dem Ziel, dass es nicht mehr attraktiv ist, Geschäfte mit Liechtenstein zu machen".
"Wir müssen dahin kommen, dass mithilfe dieser sogenannten Stiftungen keine Steuern mehr hinterzogen werden können. Das sind doch gar keine Stiftungen", wurde Steinbrück zitiert. "Wir würden gern mit Liechtenstein ein Doppelbesteuerungsabkommen abschließen", sagte der Finanzminister. Darin sollten auch Regelungen für die Amtshilfe von Liechtensteiner Seite vereinbart werden.
Daten reichen bis 1977 zurück
Laut "Berliner Zeitung"
stammt das vom BND gekaufte Material über deutsche Steuersünder aus dem Jahr
2002 und reicht teilweise bis 1977 zurück.
Die Staatsanwaltschaft will am Dienstag eine erste Bilanz der bisherigen Steuerermittlungen ziehen. Unter Federführung der Behörde waren in den vergangenen Tagen etliche Wohnungen und Büros von vermögenden Deutschen sowie Bankhäuser durchsucht worden.
Deutscher Nachrichtendienst verkaufte Daten an USA
Der
Liechtensteiner Informant des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) in
der Steueraffäre hat die kopierten Kundendaten nach einem "Spiegel"-Bericht
auch an US-Behörden verkauft. Amerikanische Steuerfahnder hätten im Sommer
2007 mit entsprechenden Ermittlungen begonnen, berichtete das
Nachrichtenmagazin am Samstag unter Berufung auf Angaben aus Liechtenstein.
US-Steuerfahnder sollen demnach seither in rund 50 Fällen zugeschlagen haben.
Bei dem Informanten handelt es sich dem Bericht zufolge doch um jenen Mann, der in Liechtenstein bereits 2004 im Zusammenhang mit einem Datendiebstahl bei der LGT-Bank verurteilt wurde. Er sei vom BND mit einer neuen Identität ausgestattet worden, nachdem er Wuppertaler Steuerfahndern mehrere DVD übergeben habe, schreibt das Magazin. Das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtete, er habe vom BND zwei Pässe mit falschen Namen erhalten, nachdem das Bundeskriminalamt (BKA) es abgelehnt habe, ihn ins Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Nach übereinstimmenden Informationen beider Magazine war er von der LGT-Bank damit beauftragt, das Papierarchiv zu digitalisieren, und hatte deshalb Zugang zu den Kundendaten.
Das den deutschen Behörden vorliegende Material besteht laut "Spiegel" aus 4527 Datensätzen über Stiftungen und Institutionen, von denen etwa 1400 deutschen Investoren gehören. Rund 65 Prozent der Stiftungen sollen nach Angaben der Ermittler noch heute existieren. Insgesamt sollen die Steuerfahnder bis zu 20 Bankmitarbeiter, Stiftungsräte und Kundenbetreuer in Deutschland und Liechtenstein verdächtigen, an Steuersparmodellen mitgearbeitet zu haben.
Zweite Welle von Ermittlung
Laut "Focus" könnte es in
Deutschland eine zweite große Welle von Ermittlungen gegen Steuersünder
geben. Ein in Rostock inhaftierter Erpresser verfügt laut der dortigen
Staatsanwaltschaft über mindestens 725 Datensätze deutscher Kunden der
Liechtensteinischen Landesbank LBB. Die aktuelle Steuer-CD betrifft Daten
von der LGT Bank.
Besteuerung von Überweisungen direkt an der Quelle
Deutschlands
Finanzminister kündigte an, im Kampf gegen Geldwäsche und
Steuerhinterziehung im Ausland könnten Überweisungen aus Deutschland direkt
an der Quelle besteuert werden. Laut Ministerium geht es in erster Linie
darum, auf europäischer oder OECD-Ebene zu einer Vereinbarung mit möglichst
vielen Ländern zu kommen. Sollte dies aber nicht möglich sein, dann sei auch
eine Berichtspflicht für Transaktionen nach Liechtenstein denkbar.
Jetzt geht es Steueroasen an den Kragen
Deutschland will
Steueroasen wie Liechtenstein, Monaco und Andorra damit notfalls im
Alleingang austrocknen. Sollten sich auf europäischer oder internationaler
Ebene keine Fortschritte erzielen lassen, könnte der Geschäftsverkehr mit
ihnen erschwert werden. Die OECD hat neben Liechtenstein Monaco und Andorra
ebenfalls als unkooperative Steueroasen eingestuft. Unterstützung wurde im
Kampf gegen Steueroasen bereits aus den USA deponiert.
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Großes Zittern in der Schweiz
Unterdessen fürchten auch
Schweizer Banker vor einer Ausweitung des Skandals auf ihr Land. "Die
haben in Zürich und Genf ja auch jetzt Sorgen, dass was von der Geschichte
auf sie abfällt", sagt ein Banker, der öffentlich nicht genannt
werden will. "Wenn die Schweiz damit reingerissen wird, dann sieht es
um die Finanzplätze in Europa schlecht aus, denn eigentlich sitzen sie ja
auch alle im Boot bei gleichzeitigem Wettbewerb.
SP-Anfrage: Daten auch an Österreich angeboten?
In
Österreich will die SPÖ von Finanz- und Innenminister wissen, ob den
österreichischen Behörden ebenfalls Daten angeboten wurden. Heute, Freitag,
ergingen entsprechende parlamentarische Anfragen.
"Wurden Ihnen, Ihrem Ressort bzw. einer Ihrem Ressort unterstellten Dienststelle in den vergangenen Jahren Bank-Daten über mutmaßliche Steuersünder, die ihr Vermögen in Liechtenstein angelegt haben, angeboten?", fragt die SPÖ-Abgeordnete Sylvia Rinner in ihren parlamentarischen Anfragen an Finanzminister Wilhelm Molterer (V) und Innenminister Günther Platter (V). Rinner ist auch Mitglied des Finanzausschusses. Hintergrund des Auskunftsbegehrs ist ein Bericht im "Wall Street Journal" (WSJ) vom 19. Februar 2008, demzufolge die Behörden des Fürstentums Liechtenstein einen konkreten Verdacht zur Identität jenes Informanten haben, der Bank-Daten über Steuersünder an den deutschen Bundesnachrichtendienst verkauft haben soll. Der angebliche Informant habe seine Informationen in den vergangenen 18 Monaten mehreren Ländern angeboten, so die US-Zeitung. Für Rinner ist es denkbar, dass darunter auch Österreich zu finden ist. Finanzminister Molterer hatte am Mittwoch nach dem Ministerrat betont, dass Österreich solche Steuersünder-Daten nicht kaufen würde.