Zumindest bis Montag fahren in Deutschland die Züge wieder ohne Ausnahme. Dadurch soll vor allem der Stau im Güterverkehr abgebaut werden.
Der bisher umfangreichste Streik bei der Deutschen Bahn ist zu Ende. Ein Sprecher der Zentralen Streikleitung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sagte Samstag früh in Frankfurt am Main: "Die Kollegen werden sich jetzt wieder zur Arbeit melden und ihren Dienst aufnehmen." Die GDL unterstrich mit dem Streik ihre Forderung nach einem eigenständigen Tarifvertrag für die Lokomotivführer mit deutlichen Verbesserungen bei Einkommen und Arbeitsbedingungen.
Staus im Güterverkehr wird abgebaut
Nun werden
streikbedingte Staus im Güterverkehr abgebaut. Es werde "mit Hochdruck"
daran gearbeitet, liegengebliebene Güter weiterzutransportieren, sagte ein
Bahn-Sprecher Samstag früh. Auf Rangierbahnhöfen seien mehr Mitarbeiter im
Einsatz als normalerweise. Die Personenzüge werden Angaben der Bahn zufolge
nach und nach wieder nach dem normalen Fahrplan fahren. In den Morgenstunden
könne es aber noch zu Beeinträchtigungen kommen.
62 Stunden gestreikt
Die jüngste Streikrunde dauerte insgesamt 62
Stunden und begann Mittwochmittag im Güterverkehr. Donnerstag früh wurde
dann auch der gesamte Personenverkehr bestreikt, von den S-Bahnen über die
Regionalzüge bis zum ICE. Millionen von Pendlern waren betroffen, vor allem
in Ostdeutschland, wo die meisten Lokführer in der GDL organisiert sind.
Dort fuhren im Schnitt nur etwa 20 Prozent der Regionalzüge, während es in
Westdeutschland 50 Prozent waren. Im ICE-Verkehr konnte die Deutsche Bahn
mit einem Ersatzfahrplan sicherstellen, dass zwei von drei Zügen auf die
Strecke gingen.
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Ohne eine Verständigung in dem Tarifstreit auf Verhandlungen zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft könnte der Konflikt bald wieder aufflammen - und bereits am Dienstag in einen noch längeren oder gar unbefristeten Arbeitskampf münden. Die Streikkasse sei gut gefüllt, drohte GDL-Vize Claus Weselsky am Freitag. Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nimmt an, dass der Lokführergewerkschaft rund 15 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die GDL zahlt jedem Streikenden 45 Euro pro Tag. Die Gewerkschaft fordert von der Bahn ein neues Angebot.
Verkehrsminister engagiert
Der deutsche Verkehrsminister Wolfgang
Tiefensee teilte am Freitag mit, die Regierung in Berlin bemühe sich in
Gesprächen mit der Deutschen Bahn AG und der GDL, die Tarifparteien wieder
an einen Tisch zu bringen. Der GDL-Vorsitzende Manfred Schell sagte jedoch
gegenüber der "Frankfurter Rundschau", seine Gewerkschaft führe zurzeit
keine Gespräche mit der Regierung. Der letzte Kontakt liege bereits 14 Tage
zurück. Anders als Tiefensee sehe er auch "keine Bewegung" in dem Konflikt.
"Pauschale Appelle helfen uns nicht", betonte Schell.
Kompromissbereitschaft gefordert
Wirtschaftsminister Michael Glos
(CSU) forderte Kompromissbereitschaft von GDL und Bahn. "Die Beteiligten auf
beiden Seiten müssen endlich einsehen, dass die Deutsche Bahn und darüber
hinaus die deutsche Volkswirtschaft nicht ihre Privatangelegenheit ist",
sagte der Minister gegenüber der Zeitung "Welt am Sonntag". Die tiefere
Ursache für den Ausstand sei "der überdehnte Vertretungsanspruch" der
Einheitsgewerkschaft. "Niemand muss sich wundern, dass Gruppen ihre
Interessen selbst wahren, wenn die Großgewerkschaften nur noch den
Durchschnitt vertreten."