Spannung vor dem 117. Verhandlungstag im BAWAG-Prozess. Am Freitag fallen die Urteile. Den Angeklagten drohen bis zu 90 Jahren Haft.
Im BAWAG-Strafprozess wird nun nach 116 Verhandlungstagen das Urteil gefällt. Am Freitag um 9.15 Uhr soll die Entscheidung des Schöffengerichts verkündet werden - falls sie bis dahin getroffen ist. Am Montag hatten die neun Angeklagten noch persönlich gehaltene Schlussworte abgegeben. Seitdem beraten die vier Richterinnen - zwei Berufsrichterinnen und zwei Laienrichterinnen - über Schuld oder Unschuld sowie bei einem Schuldspruch über die Strafhöhe.
Angeklagte können Berufung einlegen
Die Vorsitzende des
Schöffengerichts Richterin Claudia Bandion-Ortner will am Donnerstag
ankündigen, ob das Urteil am Freitag oder später gefällt wird. Gegen die
Entscheidung erster Instanz können die Angeklagten und der Staatsanwalt
Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde einlegen. Sollten Rechtsmittel erhoben
werden, sind die Urteile nicht rechtskräftig.
Bis zu zehn Jahren Haft drohen allen neun Beschuldigten. Am schwersten wiegt der Untreuevorwurf. Dem Hauptangeklagten Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner wird vorgeworfen, der BAWAG einen Vermögensnachteil von rund 1,72 Mrd. Euro zugefügt zu haben. Damit wird die im Untreue-Paragrafen festgelegte Grenze von 50.000 Euro, ab der eine Strafe bis zu zehn Jahren verhängt werden kann, um das 34.000-Fache überschritten.
Flöttl will sich freikaufen
Für eine Überraschung sorgte
zuletzt der mitangeklagte Spekulant Wolfgang Flöttl mit dem Angebot eines
"Deals": Seine Ehefrau Anne Eisenhower, vermögende New Yorkerin und Enkelin
des US-Präsidenten Dwight Eisenhower, will dem Gericht 5 Mio. Dollar (3,17
Mio. Euro) für Gerichtskosten und Schadenersatzforderungen überweisen. Das
Geld fließe aber nur, wenn Flöttl nicht ins Gefängnis muss, da es sich bei
der Summe um ein Honorar für die Veranlagung von Teilen ihres Vermögens
handle. Die Anklage wirft Flöttl vor, durch Beihilfe zur Untreue einen
Schaden von 588 Mio. Euro bei der BAWAG herbeigeführt zu haben.
Teilgeständnisse
Drei Teilgeständnisse gab es während des
Verfahrens: Als erster hat der Nachfolger von Elsner an der Bankspitze,
Johann Zwettler, seine Schuld betreffend Untreue eingestanden. Sein
Geständnis betrifft aber nur etwa ein Drittel der ihm vorgeworfenen
Schadenssumme. Der frühere BAWAG-Aufsichtsratspräsident und ehemalige
ÖGB-Finanzchef Günter Weninger hat sich der Bilanzfälschung für schuldig
bekannt, nicht aber zum Untreue-Vorwurf. Flöttl schließlich hat ein
Teilgeständnis betreffend eines 1998 erhaltenen Betriebsmittelkredits
"Ophelia" in Höhe von 90 Mio. Dollar abgelegt.
"Nicht schuldig"
Alle übrigen Angeklagten plädieren auf
"nicht schuldig". Die früheren BAWAG-Vorstände Christian Büttner, Hubert
Kreuch, Josef Schwarzecker sehen sich von Elsner getäuscht. Der ehemalige
BAWAG-Generalsekretär und spätere Vorstand Peter Nakowitz betonte immer, er
habe nur Anweisungen ausgeführt. Der langjährige Wirtschaftsprüfer der Bank,
Robert Reiter, der die BAWAG-Bilanzen testierte, hob seinen geringeren
Informationsstand im Vergleich mit dem Vorstand hervor. Bis zu einem
rechtskräftigen Urteil gilt für alle die Unschuldsvermutung.