Helmut Elsner gab „profil“-Redakteur Michael Nikbakhsh das erste Interview nach dem Urteil – schriftlich über den Anwalt. Die wichtigsten Passagen.
Frage: Herr Elsner, der Bawag-Prozess ist nach fast einem Jahr zu Ende gegangen. Sie wurden nicht rechtskräftig zu neuneinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt. Was empfinden Sie dabei?
Helmut Elsner: Die Strafhöhe hat mich erschüttert. Neuneinhalb Jahre im Gefängnis zu bleiben, weil ein anderer Geld verspekuliert hat, halte ich für völlig überzogen. Neuneinhalb Jahre bedeuten für mich wahrscheinlich lebenslänglich. Und der, der das Schlamassel verursacht hat, soll ein paar Monate hinter Gitter und darf ungestört nach Hause fahren.
Frage: Hat Sie Ihr Anwalt auf das Urteil vorbereitet?
Elsner: Natürlich, er hat mir das Risiko schon seit Monaten vor Augen gehalten. Ehrlich gesagt, war mir die Gefahr auch selbst bewusst. Alles hat ja unausweichlich auf eine Verurteilung hingedeutet. Ich habe angesichts der Zustände um meine Verhaftung und die Entführung vom französischen Krankenbett, wo ich mich, angeschlossen an medizinische Überwachungsgeräte, auf eine Operation vorbereitet habe, die dann eine Woche später dringend in Wien durchgeführt werden musste, mit keinem fairen Verfahren mehr gerechnet, in dem ich wirklich eine Chance haben würde. Der mediale Druck und die Vorverurteilung waren einfach zu groß. Man wollte mich hängen sehen.
Frage: Sie sitzen bereits rund eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft. Was empfinden Sie beim Gedanken, noch Jahre weggesperrt zu bleiben?
Elsner: Ohnmacht. Dabei geht es mir vorrangig nicht einmal um mich. Ich will meiner Frau und meiner Familie in dieser schweren Zeit beistehen, das kann ich nicht. Kontakte zur Außenwelt fehlen mir, um die Probleme, die auf mir lasten, besprechen zu können. Stellen Sie sich vor, Sie erleben so einen Verhandlungstag bei Gericht und werden danach weggesperrt. Die zehn Minuten, die Sie nach der Verhandlung bekommen, um mit Ihrem Verteidiger zu sprechen, reichen niemals aus, um die Geschehnisse des Tages reflektieren zu können. Und ich habe ein sehr inniges Verhältnis zu meiner Frau, die für mich wie eine Löwin kämpft. Sie fehlt mir sehr.
Frage: Sie haben sich bis zuletzt nicht schuldig bekannt. Warum sind Sie bei Ihrer Haltung geblieben?
Elsner: Mir wurde während des Verfahrens mehrfach dringend nahe gelegt, ein Geständnis abzulegen. Ich habe diese Versuche, mich umzustimmen, durchaus auch so verstanden, dass ich mit meiner Freilassung rechnen könne, wenn ich zumindest ein Teilgeständnis ablegte. In Wahrheit befinde ich mich bis heute in Beugehaft. Ich war mein Leben lang geradlinig und habe niemals aus taktischen Überlegungen meine Überzeugung über Bord geworfen, so auch hier nicht. In meinem Schlusswort habe ich eine ganz klare Position eingenommen: Aus heutiger, also retrospektiver Sicht, sind ganz klar Fehler passiert, auch mir. Ich würde heute auch sagen, dass wir durch die Verluste überfordert waren und unseren Rücktritt anbieten hätten sollen. Wir hatten kein ausreichendes Krisenmanagement für eine solche Situation. Aber es entsprach nicht meinem Wesen, zu flüchten und die Problemlösung jemandem anderen zu überlassen. Lieber habe ich die Ärmel aufgekrempelt und versucht, die Schwierigkeiten selbst zu überwinden.
Frage: Haben Sie und Ihre Vorstandskollegen gewusst, was mit den Wolfgang Flöttl übertragenen Bawag-Geldern geschieht?
Elsner: Aus heutiger Sicht muss man wohl einräumen, dass weder meine Kollegen noch ich wirklich durchschaut haben, was Flöttl mit dem Geld macht. Eine Ausnahme ist natürlich die Yen-Option, deren wesentliche Parameter von uns ja vorgegeben worden sind. Wenn ich mir heute die Zigtausenden Seiten an Kontoauszügen der Broker ansehe, dann hätten wir auch damit nichts anfangen können, weil uns für die Beurteilung das Know-how fehlte. Nochmals: Wir haben das, anders als heute, nicht kritisch gesehen, weil das Finanzministerium im Bescheid 1994 ausdrücklich für zulässig erklärt hat, Risikoauswahl und Risikomanagement einer externen Stelle zu überlassen. Es wurde nur eine Prüfung durch die Interne Revision angeordnet, die bis 1998 auch jährlich stattgefunden hat.
Frage: Ihre mitangeklagten Ex-Vorstandskollegen haben es im Prozessverlauf durchaus geschickt verstanden, die eigene Verantwortung in der sogenannten Karibik-Affäre klein zu reden. Im Rückblick wirkt es so, als seien die Spekulationsgeschäfte zwischen 1998 und 2000 nur eine Sache zwischen Ihnen und Wolfgang Flöttl gewesen …
Elsner: Das liegt in der Natur der Sache, weil die Hauptkommunikation zwischen mir als Vorstandsvorsitzenden und Herrn Flöttl so stattgefunden hat, wie zuvor zwischen ihm und dem früheren Vorstandsvorsitzenden Walter Flöttl. Die anderen Vorstände wurden von mir aber informiert. … Natürlich war ich in den Sitzungen der Bankgremien der Wortführer, auch wenn ich Informationen anderer Vorstandsbereiche referiert habe, das war in der Bawag einfach historisch bedingt. Und die Feigheit anderer Angeklagter, die Verantwortung abzuschieben, sehe ich auch aus dem Blickwinkel ihrer großen Angst vor einer Haftstrafe.
Frage: Glauben Sie an eine Verschwörung?
Elsner: Der Eindruck liegt sehr nahe. Bankverluste wurden im letzten Jahr fast täglich gemeldet. Kein Bankmanager sitzt in Haft, gegen keinen läuft eine Anklage (…). Dann gab es die Sitzung mit dem SPÖ-Medienberater, von der Nakowitz in der Hauptverhandlung berichtete, in der ein Ausweg gesucht worden ist, die Angriffe gegen ÖGB und SPÖ wegen der Bawag vom Tisch zu bekommen. Die Nationalratswahl stand ja bevor. Und dort wurde beschlossen, den Fall zu kriminalisieren und mich zum Sündenbock zu machen.
Frage: Ihr Anwalt hat gegen das Urteil Rechtsmittel angemeldet. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Elsner: Sehr gut. Mein Verteidiger hat die Nichtigkeitsgründe während des gesamten Verfahrens penibel dokumentiert und kann darauf in der Berufung zurückgreifen.
Frage: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Elsner: Es gab eine Phase, da ging es mir leidlich gut. Seit einigen Wochen leide ich wieder unter Schmerzen in der Brust, zeitweiliger Atemnot und zum Teil extrem stark geschwollenen Beinen.
Frage: Und psychisch?
Elsner: Natürlich war das ganze Verfahren eine Belastung. Alleine das stundenlange Sitzen auf der hölzernen Anklagebank ist auch mental extrem anstrengend, noch dazu unter dem Stress der Befragungen und unter Berücksichtigung von Gesundheit und Alter. Aber ich bin ein Kämpfer und erhalte viel Kraft durch meine Frau.
Frage: Wie verbringen Sie die verhandlungsfreie Zeit?
Elsner: Mit Lesen und Musik.
Frage: Wovon träumen Sie nachts?
Elsner: Von gar nichts, ich schlafe traumlos, weil ich Schlafmittel erhalte.
Frage: Ihr Tagesrhythmus unterscheidet sich sehr von jenem, den Sie vor der Verhaftung hatten. Kann man sich daran überhaupt gewöhnen?
Elsner: Nein.