Russland und die Ukraine haben sich im Gasstreit geeinigt. Dennoch fließt noch immer kein Gas nach Europa. Der Notstand wird immer größer.
Im russisch-ukrainischen Gasstreit hat die Europäische Union angesichts des wachsenden Energie-Notstands in Südwesteuropa Moskau zur sofortigen Wiederaufnahme der Lieferungen gedrängt. Russlands Regierungschef Wladimir Putin und seine ukrainische Kollegin Julia Timoschenko unterzeichneten am Wochenende ein Abkommen über den Einsatz von Gas-Kontrolleuren in ihren Ländern. "Dies sollte endlich die Wiederaufnahme der Gas-Lieferungen von Russland in die EU erlauben", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Sonntag in Brüssel.
Der EU-Ratspräsident und tschechische Regierungschef Mirek Topolanek erwartet, dass Russland den Gashahn an diesem Montag wieder aufdreht. Nach Schätzungen der Brüsseler EU-Kommission benötigt das Gas aus Russland gut drei Tage, um bei den europäischen Verbrauchern anzukommen. Das dürfte bei einem Start an diesem Montag frühestens am Donnerstag sein. Unterdessen verschärfte sich der seit vergangenen Mittwoch andauernde Gasnotstand weiter.
AKW Bohunice wird wieder hochgefahren
Die Regierung der Slowakei
beschloss angesichts der Energiekrise, einen abgeschalteten Kernreaktor in
Jaslovske Bohunice wieder hochzufahren. Dieser Schritt würde gegen EU-Recht
verstoßen, warnte die EU-Kommission den Mitgliedsstaat. Auch aus Österreich
kam von allen Seiten scharfe Kritik: "Eine Wiederinbetriebnahme des
unsicheren Reaktors Bohunice kann nicht akzeptiert werden", so
Umweltminister Nikolaus Berlakovich (V). Außenminister Michael Spindelegger
(V) erklärte in der ORF-Pressestunde, jede Vertragsverletzung der Slowakei
gegenüber der EU sei zu "ahnden". Auch Bulgarien denkt über
die Wiederinbetriebnahme eines Reaktors im Atomkraftwerk Kosloduj nach,
dessen Abschaltung die EU aus Sicherheitsgründen durchgesetzt hatte.
Bulgarien kann von der Ukraine angebotene Notlieferungen aus technischen
Gründen nicht nutzen.
Der russische Staatsmonopolist Gazprom lehnte eine Wiederaufnahme der Lieferungen auch am Sonntag weiter ab, weil das Abkommen über die Beobachtermission mit den Unterschriften der ukrainischen Führung zunächst nicht in Moskau vorlag. "Wir haben bisher keine offizielle Bestätigung, dass alle Seiten das Abkommen zur Überwachung des Transits durch die Ukraine unterschrieben haben", sagte Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow. Die Gazprom-Experten seien allerdings längst bereit zum Abflug, um die Beobachtermission aufzunehmen.
Klaut die Ukraine Gas?
Russland wirft der Ukraine seit langem
vor, für die EU bestimmtes Gas aus den Leitungen zu entwenden, was Kiew
bestreitet. Die Kontrolleure sollen einen möglichen "Gas-Diebstahl"
verhindern. Seit einigen Tagen versorgt Gazprom den Westen verstärkt über
die nördliche Route durch Weißrussland und Polen nach Deutschland. Die
Gaslieferungen aus Russland über die Ukraine ist vollständig eingestellt, um
dem Totalausfall zu begegnen greift Österreich auf Speicher zurück.
EU-Energiekommissar Andris Piebalgs blieb nach den Erfahrungen der vergangenen Tage vorsichtig. "Nachdem die Eckpunkte jetzt vereinbart sind, werden die Beobachter ihre Arbeit so schnell wie möglich aufnehmen: Hoffentlich wird es bald Gas geben, das sie überwachen können - Gas für die europäischen Bürger, das diese so dringend brauchen", sagte der Kommissar nach Brüsseler Angaben. Der Tscheche Topolanek hatte am Samstag und Sonntag erst in Moskau und dann in Kiew bei zähen Verhandlungen mit Putin und Timoschenko die Unterschriften unter dem Abkommen eingeholt.
EU-Beobachter eingetroffen
Erste EU-Beobachter zur Überwachung
russischer Gaslieferungen durch die Ukraine haben am Sonntag ihre
Einsatzorte erreicht. An mehreren Orten nahm die Mission bereits ihre Arbeit
auf, wie die EU-Kommission in Brüssel am Sonntagabend mitteilte. Die
tschechische EU-Ratspräsidentschaft erklärte, Russen und Ukrainer hätten am
Sonntag die Originaldokumente der Übereinkunft zum Einsatz der Beobachter
erhalten. "Es gibt keinen Grund, die Gas-Lieferungen weiter hinauszuzögern",
bekräftigte die EU-Kommission.
Streit um Gaspreise und Transitgebühren
Auslöser für die in
der Geschichte der russischen Gasexporte bisher einmaligen Blockade ist der
Streit um Gaspreise und Transitgebühren. Der staatliche ukrainische
Energieversorger Naftogaz teilte in Kiew mit, dreitägige Verhandlungen mit
Gazprom über die Gaspreise seien ohne Ergebnis geblieben. Russland verlangt vom finanziell angeschlagenen Nachbarn ähnlich hohe Preise wie von den
EU-Staaten. Die Ukraine hält hingegen wegen ihrer finanziellen Probleme
einen solchen Preis von mehr als 400 US-Dollar (292 Euro) je 1.000
Kubikmeter nicht für gerechtfertigt. Zudem verlangt die Ukraine von Russland
höhere Gebühren für den Transit.