Budgetdefizit
Felderer verlangt Sparplan - jetzt
08.07.2009
Staatsschulden erreichen heuer 200 Mrd. Euro - Abbau braucht 10 Jahre.
Der Staatsschuldenausschuss warnt vor der ausufernden öffentlichen Verschuldung und fordert die Regierung auf, in den nächsten Monaten ein Sanierungskonzept zu erstellen. Die Staatsschulden dürften schon heuer fast 200 Mrd. Euro erreichen und bis 2011 weiter auf 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen.
Sonst wird es nur schlimmer
Ausschuss-Vorsitzender Bernhard
Felderer sieht die Politik daher gefordert, schon jetzt festzulegen, wie man
den Schuldenberg nach Ende der Wirtschaftskrise abbauen wird. Andernfalls
würden steigende Zinsen und damit eine weitere Belastung für Budgets und
Wirtschaft drohen, so Felderer bei der Präsentation des Berichts über die
öffentlichen Finanzen 2008.
Schuldenabbau dauert über 10 Jahre
"Es kommt der Tag,
an dem die Konsolidierung beginnt. Dann müssen wir einen fertigen Plan haben",
erklärte der Wirtschaftsexperte. Um den Schuldenstand von 80 Prozent des BIP
wieder auf die im Euro-Raum vorgegebenen 60 Prozent zu reduzieren, wird es
laut Felderer starke Budgetdisziplin brauchen: Berechnungen des
Staatsschuldenausschusses zufolge würde die Budgetkonsolidierung selbst dann
mehr als zehn Jahre dauern, wenn die Wirtschaft künftig stark wächst und der
Staat ab 2012 "nur" noch ein jährliches Defizit von einem Prozent
des BIP schreibt.
Defizitbremse per Gesetz nötig
Beginnen sollte die
Budgetkonsolidierung laut Felderer mit dem Wirtschaftsaufschwung, also 2011
oder 2012. Dann bräuchte es aus seiner Sicht sowohl starkes Wachstum
(angenommen wird ein nominelles Wachstum von vier Prozent jährlich, was dem
Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre entspricht) als auch strikte
Budgetdisziplin: Bei einem laufenden Defizit von einem Prozent würden die 60
Prozent Staatsverschuldung 2023 erreicht, bei einem laufenden Defizit von
zwei Prozent erst 2044. Felderer plädiert daher für eine gesetzliche "Schuldenbremse".
Zahlen werden nicht halten
Zum Vergleich: Heuer erwartet die
EU-Kommission ein Defizit von 4,2 Prozent, 2010 dürfte das laufende Minus
auf über fünf Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen. Felderer geht daher
davon aus, dass ÖVP-Finanzminister Josef Pröll seinen nach Brüssel
gemeldeten Defizitplan im Herbst wird revidieren müssen: Bei der
Budgeterstellung ist die Regierung nämlich noch davon ausgegangen, dass die
Neuverschuldung heuer nur 3,2 Prozent und 2010 4,1 Prozent des BIP betragen
wird. Auch mit den neuen Zahlen liegt Österreich aber unter dem EU-Schnitt
(sechs Prozent).
Gefahr für Standort droht
Sollte der Schuldenabbau nicht
gelingen, drohen laut Felderer höhere Zinsen - und zwar sowohl für den Staat
als auch für Unternehmensanleihen. Schon jetzt bezahle Österreich wegen des
Ost-Risikos der heimischen Banken um 0,8 Prozentpunkte höhere Zinsen als
Deutschland. Künftig werde der Zinsaufschlag auch von glaubwürdigen Plänen
zum Schuldenabbau abhängen. "Wenn wir zu denen gehören, die es
nicht schaffen, das zu reduzieren, dann wird uns der Finanzmarkt bestrafen",
so Felderer: Das würde auch den Wirtschaftsstandort gefährden.
"Offensichtlichen Verschwendungen"
Der
Staatsschuldenausschuss drängt zur Budgetkonsolidierung auf Einsparungen bei
der Schulverwaltung, im Gesundheitssystem (etwa bei kleinen Spitälern), beim
Förderwesen und bei den unterschiedlichen Dienst- und Pensionsrechtssystemen
für Beamte in den Bundesländern. "Es gibt eine Fülle von offensichtlichen
Mittelverschwendungen", sagte Ausschuss-Vorsitzender Bernhard Felderer,
selbst Mitglieder der Verwaltungsreform-Arbeitsgruppe der Regierung.
Spitäler am Land
Als Beispiel nannte Felderer kleine
Krankenhäuser am Land, wo Abteilungen oft trotz mangelnder Auslastung
erhalten werden. Eine Chirurgie-Abteilung ist aus Felderers Sicht nicht zu
rechtfertigen, wenn Operationen nur einige wenige Male pro Jahr durchgeführt
werden. Wie derartige Strukturreformen in der Praxis scheitern können, hat
zuletzt aber der steirische Landtag vorgeführt: Dort lehnte eine bunte
Allianz aus ÖVP, KPÖ und einem grünen Abweichler am Dienstagabend die
Schließung der Chirurgie-Abteilungen in den LKH Bad Aussee und Mürzzuschlag
ab.
Weniger ausgeben statt mehr Steuern
"Wir müssen Budgetdisziplin
in hohem Ausmaß halten", plädierte Felderer an Bund, Länder und Gemeinden.
Seinen jüngsten Vorschlag, zur Budgetkonsolidierung die Mehrwertsteuer
vorübergehend anzuheben, wollte er Wirtschaftsforscher nicht wiederholen,
weil er von der Politik klar zurückgewiesen wurde. Allerdings machte er
klar, dass vorübergehende Steuererhöhungen aus seiner Sicht immer noch
besser wären als dauerhaft auf einem Schuldenberg von 80 Prozent der
Wirtschaftsleistung zu sitzen.
Außerdem verwies Felderer darauf, dass die Alterung der Bevölkerung derzeit noch gar keine wachsenden Kosten verursache. Dieser Effekt werde aber im nächsten Jahrzehnt schlagend werden und höhere Staatsausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege erzwingen. "Wir haben da noch Ausgaben vor uns. Das geht aber nicht, wenn wir bei der Staatsverschuldung schon am Gipfel sind", betonte Felderer.